Scheue Rehe am Zentralfriedhof

Tor 1, Zentralfriedhof. Stille. Während am übrigen Gelände oft reges Treiben herrscht, gleicht ein Besuch des alten jüdischen Teils eher einem etwas anderen Waldspaziergang. Mit Efeu überwachsene Gräber, uralte Bäume, Gedenksteine in Reih‘ und Glied, auf der anderen Seite umgefallene Gedenksteine, die ihr Alter nicht verbergen können. Ein einfaches Erdgrab hier, eine wunderbare Gruft da. Nur hin und wieder kreuzen andere Besucher den Weg. Plötzlich lugt hinter einem Grab ein Augenpaar hervor. Ein scheues Reh schaut skeptisch nach, wer da sein Revier betreten hat.

c Sabine Karrer

Ruhe, Natur, Historisches, Erinnerung. Der alte jüdische Friedhof ist einer meiner Lieblingsorte in Wien. Egal, ob mir nun ein Reh über den Weg läuft oder nicht, denn dazu braucht es vor allem Geduld und Glück. Und ein entsprechendes Verhalten. Wer sich lautstark unterhaltend und im Schnellschritt über den Friedhof läuft, wird kaum in die Gelegenheit kommen, einem Wildtier gegenüber zu stehen.

Neben Rehen bietet der Zentralfriedhof auch Füchsen, Feldhamstern, Eichhörnchen, Igeln, Spechten, Falken und anderen wild lebenden Tieren ein Zuhause. Die Universum-Dokumentation „Es lebe der Zentralfriedhof“ hat einige der tierischen Bewohner mit der Kamera beobachtet. Der Film und der gleichnamige Bildband sind zwar inzwischen nicht mehr einfach zu bekommen, wer jedoch über ein Exemplar stolpert, sollte ernsthaft über einen Kauf nachdenken.

c Sabine Karrer

Ein Streifzug durch den alten, verwilderten Teil lohnt sich also, egal ob und welche Tiere einem tatsächlich begegnen. Hier haben sie das Hausrecht und sollen sich zurückziehen dürfen. Wir Menschen sind nichts anderes als Besucher – und das ist gut so.

c Sabine Karrer

 

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4 Gedanken zu „Scheue Rehe am Zentralfriedhof“

  1. Es bedarf nicht vieler Worte, um dies zu bestätigen. Auch ich liebe diesen Teil des ZFH. Wenn ich einige Tage nicht dort war, packt mich schon wieder die Sehnsucht nach dieser wundervollen „Wildnis Natur“ mit ihren (meinen) Rehen, von denen ich schon einige unterscheiden kann. Natürlich habe ich schon sehr, sehr viele wundervolle Fotos. Aber scheu sind die Rehe gar nicht. Sie putzen sich vor mir und lassen mich auch beim Äsen zusehen, wie wenn ich dazugehören würde. Dieses Kleinod würde ich zum „Nationalpark“ erklären. Das wäre nur gerecht, auch als Kulturgut.

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