Warum wir mehr Clowns brauchen und wie ausgerechnet ich zu dieser Erkenntnis gelangt bin

Als ich vor dem Wiener Circus- und Clownmuseum stehe, bin ich fast ein bisschen nervös. Zirkus war nie so mein Ding und bei Clowns denke ich zwangsläufig an „Pennywise“, den Gruselclown aus Stephen Kings „Es“. Das Schicksal meiner Generation. Zudem zaubern Andreas und Michael Swatosch, die angeboten haben, mir das Museum zu zeigen, auch noch. Zauberei, Magie und Illusion lösen in mir automatisch das Gefühl aus, als würde mir jemand etwas vormachen. Möglicherweise bin ich einfach seltsam, aber in jedem Fall kann man sagen, dass ich wohl die besten Voraussetzungen mitbringe, um mich von all dem doch noch begeistern zu lassen. Und so viel sei schon mal verraten: Es funktioniert.

„Herrrrreinspaziert!“ begrüßen mich Michael, seines Zeichens stellvertretender Museumsleiter, und sein Bruder Andreas, der unter anderem für die Abteilung Zauberkunst zuständig ist. Während sich die beiden noch in Schale werfen, schaue ich mich schon mal ein wenig um.

Zeitreise in den alten Wiener Wurstelprater

Der erste Raum erzählt die Geschichte des Wiener Wurstelpraters, von Unterhaltungsstätten und Schaustellertum. Neugierig, wie ich nun mal bin, fällt mein Blick sofort auf den knallgelben „3D-Show“-Automaten. Die Aufschrift „Jugendverbot!“ reizt mich enorm. Leider habe ich zufällig keine 5-Schilling-Münze dabei, der Schirm bleibt schwarz. Ich hätte ohnehin nur „Oben ohne“-Fotos gesehen, erklärt mir Andreas später. Na gut, was habe ich erwartet? Aber lange vor YouTube und Co war das sicherlich der Hit im Vergnügungsviertel.

Genauso wie es die geschnitzten Charakterköpfe der Praterfamilie Kobelkoff aus der Zeit um 1900 waren. Heute schießen wir mit Bällen auf Dosen, damals waren es Holzköpfe. An den Wänden hängt ein Plakat neben dem anderen, fein säuberlich eingerahmt, dazwischen gibt es jede Menge alte Pläne und Fotos zu sehen. Auf dem samtenen Sessel eines Zirkusdirektors nehmen wir lieber nicht Platz und die Köpfe der beiden Pumas „Hänsel“ und „Gretel“, einst Stars in einer Schaubude (über ihre Haltung denken wir jetzt besser nicht nach), sind zwar ausgestopft, sehen aber dennoch aus, als würden sie jeden Moment zubeißen. Sie wurden dem Museum wie so viele Gegenstände und Dokumente zur Verfügung gestellt. Ergänzend zu den bestehenden Sammlungen kommt so immer wieder das eine oder andere Teil neu dazu.

Weil ich vorher erwähnt habe, dass sich die Brüder extra in Schale geworfen haben – hier… 😉

Ich sehe mir Stück für Stück an, lausche den Geschichten der beiden und bin genauso fasziniert, wie es wohl auch David Copperfield, André Heller, Freddy Quinn und Oleg Popov gewesen sind, als sie das Museum, das einzige seiner Art in ganz Europa übrigens, besichtigt haben. „Archiv der wirklichen Träume und der geträumten Wirklichkeit“ hat es Heller bei seinem Besuch genannt. Das Zitat, eine treffende Beschreibung, prangt in großen Buchstaben über dem Durchgang zum nächsten Raum.

Ganz anders als erwartet

Vor meinem Besuch hatte ich mir ein eher ungeordnetes Sammelsurium auf engstem Raum vorgestellt, vielleicht sogar mit einem etwas freakigen Touch. Weil: kleines Museum, kurios und so. In Wirklichkeit ist das Gegenteil der Fall. Das Circus- und Clownmuseum ist mit 400 Quadratmetern überraschend groß, wunderschön gestaltet und durch und durch aufgeräumt. Nichts steht oder liegt einfach herum, es gibt auch Dinge zum Angreifen und Ausprobieren und ich muss schmunzeln, weil Michael im Vorbeigehen immer wieder unauffällig ein Bild gerade rückt, das ein paar Millimeter zu weit nach links oder rechts hängt. Sogar der dicke rote Vorhang zum nächsten Raum ist noch zugezogen. Soll offenbar eine Überraschung werden. Vermutlich die Clowns.

Gemeinsam mit Museumsleiter Robert Kaldy-Karo und weiteren Mitarbeitern sorgen Michael und Andreas Swatosch seit dem Tod des letzten Direktors Berthold Lang ehrenamtlich dafür, dass die 1927 begonne Sammlung des Schriftstellers Heino Seitler weitergeführt wird. Seit 2010 ist das Museum am Ilgplatz 7 zu Hause, wo nun noch mehr Exponate aus der Welt der Zirkusartisten, Schausteller und Clowns und sogar Stücke aus der Zeit der Wiener Varietés gezeigt werden können. Nebenbei erfahre ich, dass das Stuwerviertel früher mal zum Gebiet des Wiener Paters gehört hatte – passender könnte die Location also kaum sein.

Es wird clownesk

Kaum haben wir das Reich der Clowns betreten, halte ich auch schon einen von diesen riesigen Clownschuhen in der Hand. Die zu meiner Überraschung verdammt schwer sind und wohl für den bekannten komischen Gang sorgen, denn anders als komisch kann man in diesen Schuhen gar nicht gehen. Bei Clownerie geht es auch darum, zu übertreiben, erklärt mir Andreas. Stimmt, denn wer, wenn nicht ein Clown (oder ein Hofnarr), darf selbst die größten Frechheiten aussprechen? Vor allem aber wollen Clowns den Menschen das Lachen zurück geben. Kinder lachen ja viel und gerne, wir Erwachsenen verlernen das hin und wieder. Wenn wir also die Gelegenheit bekommen, uns zum Lachen animieren zu lassen, sollten wir wohl zugreifen. Ich lache an diesem Nachmittag recht viel.

Ihren Ursprung hat die Clownerie übrigens im „Bajazzo“, einem Akrobaten, der auf Jahrmärkten die echten Schausteller parodiert hat, um das Publikum zu unterhalten beziehungsweise anzulocken.

Michael holt nach und nach Clown-Utensilien aus einer der Vitrine: eine übergroße Schere, eine übergroße Sicherheitsnadel, verschiedene Musikinstrumente, ein Quietsch-Ding und vieles mehr. Außerdem gibt es so einige Clownskostüme zu bestaunen: den Weißclown (quasi der G’scheitere), den August (der etwas dümmere Clown) und all ihre Freunde.

Ich werde über Jango Edwards aufgeklärt, der dem einen oder anderen Leser vielleicht noch aus der ORF-Show „Tohuwabohu“ bekannt ist („Der, der immer die Bierdosen auf seiner Stirn zerdrückt hat.“ – „Okay.“), der aber vor allem eine echte Clownlegende ist. Und der bei Michael und Andreas nicht nur die Leidenschaft für Clownerie geweckt hat, sondern auch bei ihren Shows als Lionel und Liam Fool alias „Fools Brothers“ Regie führt.

Oft müssen Clowns auch echte Verwandlungskünstler sein. Das sieht dann zum Beispiel so aus:

Artisten, Tiere, Attraktionen

Irgendwann verlassen wir die Clowns, um uns dem Zirkus und seinen Artisten zu widmen. Hier stehen Kostüme, Requisiten, Plakate, Bilddokumente, der Nachbau eines Zirkusgeländes und noch vieles mehr im Mittelpunkt.

Mein persönliches Highlight ist die Jacke eines Dompteurs, die eigentlich eine Art Kettenhemd ist, um notfalls das Schlimmste abzuwehren. Von Natur aus sind Tiger ja nicht wirklich als Schmusekätzchen bekannt. Das Teil ist verdammt schwer und ich habe keine Ahnung, wie man damit überhaupt gehen geschweige denn mit Raubtieren herumtoben kann. Zur Sammlung gehören auch ein Kleid von Josephine Baker und ein Zirkusoutfit von Freddy Quinn.

Ein winzig kleines Fahrrad, das Teil der Akrobatikshow des Radartisten-Duos „2 Lyrk“ war, nehme ich zwar kurz hoch, aber die vielen Glasvitrinen und das Wissen um meine schlechten Koordinationsfähigkeiten halten mich davon ab, es selbst auszuprobieren. Auch durch den Gittertunnel, durch den in früheren Zeiten die Tiger und Löwen in die Manege getrieben wurden, krabble ich nicht, aber bei Kindern dürfte er super ankommen. Und wusstet ihr, dass Georg Danzer mal für Text und Regie bei Bernhard Pauls „Circus Roncalli“ verantwortlich war? Ich nämlich nicht.

Zum Schluss wird es magisch

Um Zauberkunst geht es im vorletzten Raum. Hier sehe ich zum Beispiel, wie das Zaubertheater im Wiener Prater aufgebaut war. Es gibt so ein Teil mit magischem Spiegel, mit dem man seine Hand „wegzaubern“ kann, ein Schloss des berühmten Entfesselungskünstlers Houdini, einen von Uri Geller verbogenen und signierten Löffel und wieder viele, viele Bilder und Plakate mit vielen, vielen interessanten Geschichten dazu. Und ich darf auf einem Nagelbrett Probe sitzen, das tatsächlich keine Löcher in meinen Körper bohrt.

Unerwähnt bleiben auch nicht die sogenannten „Abnormitäten“-Shows unter anderem mit der „dicksten Frau der Welt“, „Liliputanern“ oder „Rumpfmenschen“. Ein schwieriges Thema und zum Glück können wir uns solche Schauen heute nicht mehr vorstellen. In früheren Zeiten hat aber eben auch das für Unterhaltung gesorgt.

Circus- und Clownmusem

Zu finden am Ilgplatz 7, 1020 Wien

Geöffnet ist das Museum jeden Sonntag von 10 bis 13 Uhr sowie jeden ersten und dritten Donnerstag im Monat von 19 bis 21 Uhr. Der Eintritt ist frei. Dazu gibt’s immer wieder Sonderausstellungen. Extra gebucht werden können Führungen für Gruppen und Erlebnis-Führungen für Kinder.

Kontakt (Führungen): michael@circus-clownmuseum.at
Mehr Infos: www.circus-clownmuseum.at

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