Walfried kämpft für Gerechtigkeit, kämpfen wir mit ihm!

Ich hatte eine schöne, weitgehend unbeschwerte Kindheit. Aber dieses „Glück“ hat(te) nicht jeder. Das Wort „Glück“ setze ich unter Anführungszeichen, weil das mit Glück nichts zu tun haben dürfte. Jedes Kind verdient die gleichen Chancen für den Start ins Leben – und wenn einem Kind diese Chancen verwehrt bleiben, dann ist das in den meisten Fällen menschengemacht.

Eine zerstörte Kindheit

Walfried Janka hat im Leben nie eine echte Chance bekommen. Das Jugendamt Leibnitz übergab den heute über 50-Jährigen noch als Baby einer Pflegemutter, die eine verurteilte Kindesmörderin war. Walfried wurde über viele Jahre hinweg gefoltert, gequält, missbraucht und vergewaltigt. Er bekam nie Zuneigung, Liebe und menschliche Wärme zu spüren, stattdessen zeigte ihm seine Pflegemutter ihre ganze Verachtung. Ständig wurde ihm gesagt, er sei schlecht, gestört, behindert, erzählt er heute über diese Zeit. Alle schauten weg, niemand half ihm. Selbst dann nicht, als seine schweren Verletzungen sogar im Krankenhaus dokumentiert wurden. Später wurde er in die von den Kreuzschwestern geführte Psychiatrie gesteckt, wo er weiter schwer misshandelt wurde.

Für Walfried gab kein Weihnachten, keine Geburtstage, keine Spielsachen, keine Liebe, keine Geborgenheit, also nichts von all dem, was für meinen Bruder, mich und unsere Freunde normal war. Lange Zeit wusste er nicht einmal, wie alt er ist, sagt er. Weil er selbst dafür nicht genug wert war in den Augen der Leute, die sich um ihn hätten kümmern sollen. Ihm wurde auch jede Möglichkeit vorenthalten, sich zu bilden. Man attestierte ihm eine geistige Behinderung. Erst, als Walfried 16 Jahre alt war, wurde das zurückgenommen. Er kam zu neuen Pflegeeltern, die ihn gut behandelten. Doch sein Leben war bereits verpfuscht. Wie will jemand wieder einen Fuß auf den Boden bekommen, wenn er so lange – noch dazu in den für die Entwicklung entscheidenden Lebensjahren – dermaßen schlimm gequält wurde? Wie soll jemand jemals wieder Vertrauen zu anderen Menschen fassen?

Wie soll man damit weitermachen?

(c) privat

Walfried Janka bemühte sich, die verlorene Zeit nachzuholen. Aber trotz der neuen, liebevollen Pflegeeltern, gelang es ihm kaum. Mit 19 wurde er schließlich zum Mörder, kam ins Gefängnis und saß eine 16-jährige Haftstrafe ab. Irgendwann begann er, seine Geschichte öffentlich zu erzählen. Und das ist genau der Punkt, an dem ich euch die unglaublich beeindruckend geschriebene Geschichte „Schuld und Sühne“ von Anja Melzer in der Zeitschrift News ans Herz legen möchte. Durch sie habe ich zum ersten Mal von Walfrieds Martyrium erfahren und selten hat mich ein Artikel so aufgewühlt wie dieser. Auch ORF, DerStandard, Kurier und viele weitere Medien berichten immer wieder über den „Fall Janka“.

Ich bewundere Walfrieds Mut, so offen mit seiner Geschichte umzugehen, zutiefst. Ich kann mir nicht mal ansatzweise vorstellen, wie es sein muss, damit neu anzufangen und sogar in die Öffentlichkeit zu gehen. Mit all den Dingen, die man am liebsten verdrängen und vergessen würde, mit der Scham und natürlich auch mit der eigenen (späteren) Schuld. Das alles muss unendlich hart sein.

Amtshaftungsklage als letzte Chance

Irgendwann folgten Walfried und ich einander auf Twitter, schrieben ein wenig hin und her und ich bekam mit, dass er dabei war, eine Amtshaftungsklage gegen das Land Steiermark vorzubereiten. Denn ein läppischer Dreizeiler als „Entschuldigung“, das wollte er nicht akzeptieren. Das ist verständlich und jeder, dem ich vor allem in den letzten Tagen von Walfried erzählt habe (und das waren so einige), schüttelt genauso wie ich erschüttert den Kopf. Auch mit noch so viel Geld ist sicher nichts wieder gutzumachen, aber diese Klage muss er einfach durchziehen. Es ist ziemlich sicher seine letzte Chance, wenigstens annähernd sowas wie Gerechtigkeit zu erfahren.

Update 9.2.2022: Ich habe mir erlaubt, den Teil zum Crowdfunding aus Aktualitätsgründen zu entfernen. Danke!

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