Archiv der Kategorie: leben

Wortloser Abschied

Hallo du. Ja, du bist gemeint, fiktiver Mann.

Du weißt natürlich, dass fiktiv nicht ganz richtig ist. Du bist ebenso real wie er, er und auch er. In vielem seid ihr so unterschiedlich gewesen, aber eines hat euch alle geeint: Keiner hat geredet. Immer ist alles gut gewesen, wir sind einander näher gekommen, es hat sich, wie man so schön sagt, etwas entwickelt zwischen dir und mir. Es war nie fad. Du hast dich um mich bemüht. Vielleicht habe ich nicht rechtzeitig bemerkt, wie das Bemühen nachgelassen hat. Vielleicht wollte ich es nicht sehen. Ich wünschte, du hättest mit mir geredet. Manchmal wünschte ich, du würdest es wenigstens jetzt, Wochen, Monate, Jahre später, tun. Irgendwann hast du dich jedenfalls von mir verabschiedet. Nicht laut, nicht deutlich, nicht vorhersehbar. Manchmal nicht einmal leise, sondern ganz einfach stumm. Kein Wort. Nichts.

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Spenden statt schenken: Weihnachten fällt heuer aus

„Übrigens, wenn wir schon alle zusammen sitzen…“ In unserer Familie ist das seit jeher die Einleitung zu wenig Erfreulichem. Bambarabammm, Paukenschlag. „Ich bin nicht mehr mit xy zusammen“ oder gar „Xy ist gestorben“ sind mögliche Fortsetzungen. Aber auch besonders Erfreuliches wie „Wir bekommen ein Kind“ kann folgen. Sagt einer von uns diesen Satz, wissen jedenfalls alle: Jetzt kommt was…

„Wenn wir schon alle zusammen sitzen…“, beginne ich an diesem Nachmittag. Alle Blicke sind auf mich gerichtet. Jetzt kommt was. „…wenn es für euch okay ist, dann möchte ich euch heuer nichts schenken. Und ich fände es schön, wenn ihr das umgekehrt auch so macht.“

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Vom Vermissen

„Vermisst du was?“ ist ja so die übliche Frage, wenn ich mal wieder irgendwas ausgestreut habe. Zuletzt meine Sonnenbrille. Der Finder meiner Brille hat sie dankenswerterweise mitgenommen und wir treffen uns nächste Woche zum Austausch auf ein Bier. Dabei sollten Bier und Plaudern eh wichtiger sein, denn das andere ist nur ein Gegenstand. Soziale Kontakte und so – das ist der Punkt.

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Refugees in Wien: Nachts am Hauptbahnhof

Mein Gewissen meldet sich unerwartet laut bei mir: Fahr zum Hauptbahnhof, vielleicht kannst du etwas tun. Dort kommen immer wieder Züge mit Flüchtlingen an. Weniger zwar als am Westbahnhof, aber eben auch. Am Westbahnhof, höre ich, werden zu diesem Zeitpunkt gerade keine weiteren Spenden und Freiwillige benötigt. Ich bin unsicher, ob ich überhaupt helfen kann oder nur anderen im Weg stehe. Vielleicht sind dort auch schon genug helfende Hände. Aber ich fahre am Abend einfach los. Notfalls kann ich ja wieder umdrehen, denke ich.

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20! Tausend! Danke, Wien!

Wienerinnen und Wiener, ich bin unglaublich glücklich. Mehr als 20.000 von euch haben auf einen der letzten Sommerabende in diesem Jahr verzichtet, um gemeinsam auf die Straße zu gehen. Das Motto der friedlichen Kundgebung: Mensch sein in Österreich. Immer noch mehr Menschen strömen aus den U-Bahn-Stationen, es hört gar nicht auf. Mit großen Augen starren wir später auf die ersten Luftaufnahmen in den sozialen Netzwerken. 20! Tausend! Mindestens!

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