Gedankenverloren stehe ich an der Bushaltestelle und beobachte einen jungen Mann. Mit gesenktem Kopf schiebt er mühsam ein Regal auf einem Rollwagerl vor sich her, zieht mit der anderen Hand einen großen Koffer hinter sich her und hat auch noch einen zusammengefalteten Karton unter den Arm gequetscht, der vermutlich spätestens beim übernächsten Häuserblock der Schwerkraft nachgeben wird. Erst nach und nach bemerke ich, wie lange ich ihm schon nachstarre und wie mitleidig mein Blick wirken muss. „Ach Leidensgenosse“, seufze ich innerlich, „irgendwann hast du es dann auch geschafft.“
Das ist nämlich der Grund dafür, weshalb es hier in den letzten Wochen und Monaten so still geworden ist, wie aufmerksame Leser zumindest erahnen konnten: Ich bin umgezogen. Nach zermürbenden monatelangen Verschiebungen des Termins, die eine auch nur annähernd gute Planung unmöglich gemacht haben (an dieser Stelle ganz ironisch danke an meine Genossenschaft), musste dann alles plötzlich ganz schnell gehen. So schnell, dass ich mitten in dem ganzen Chaos zwischen Massen an Umzugskartons, noch nicht transportierten Möbelstücken und Koordination von Handwerkern nicht einmal mehr die Nerven hatte, auch nur ein Wort über irgendwas zu bloggen, geschweige denn zur Übersiedelung selbst. Das letzte Bisschen an Kreativität, das noch in mir geschlummert hat, wollte nun in die Einrichtung der neuen Wohnung gesteckt werden. Vom Zeitfaktor ganz zu schweigen. Übrigens sollte man, wenn man relativ planlos umzieht, unbedingt auch mehr Zeit für alltägliche Dinge einplanen – es ist in den ersten Wochen nicht nur einmal passiert, dass ich mit nassen Haaren kurz vor einer Verabredung erst einmal 15 Minuten in die Suche nach dem Haarföhn investieren musste. Nichts ist mehr dort, wo es einmal war, das alte System ist quasi tot und will neu erfunden werden. Davon, wie es ist, wenn sich im Wohnzimmer der Inhalt einer gesamten Küche stapelt, weil diese erst zwei Wochen nach dem Umzug geliefert werden kann, reden wir besser gar nicht.
Ich habe sicher tausend Mal geflucht, die Entscheidung für den Umzug tausend Mal bereut, und mir selbst tausend Mal die Frage gestellt, wann sich meine neue Wohnung endlich wieder ein echtes Zuhause anfühlen wird. Und ob das überhaupt jemals passieren wird.
Gefühlt 100 Möbelhausbesuche später (Vermutlich werde ich nie wieder Köttbullar essen können – kauft das Zeug eigentlich wirklich irgendjemand aus einem anderen Grund, als dass es zum Ikea-Besuch halt dazu gehört und man einfach saumäßigen Hunger hat, wenn man stundenlang durch die Abteilungen gelaufen ist?), nach sicher mehr als einem Dutzend selbst zusammengebauter Kästen und Kommoden, nach unzähligen blauen Flecken und Kratzern an Armen und Beinen (Tipp: Baut niemals eine Kommode im Rock zusammen, nur weil ihr gerade von der Weihnachtsfeier nachhause gekommen seid und das Unvermeidliche sofort auf der Stelle erledigen wollt; zum Glück lassen sich kleine Blutflecken aber eh ganz gut vom Laminat putzen. ;)), nach diversen Blasenbildungen an den Händen (So ein Akkuschrauber macht schon Sinn, nur ist er auf den meisten Ikea-Anleitung leider fett durchgestrichen abgebildet.), nach einer sich langsam aufgebauten Phobie gegen Umzugskisten und Möbelverpackungen, nach dem absoluten Meisterstück, dem Aufbau eines großen Pax-Schrankes (Den ich so wie das meiste andere alleine zusammenbauen wollte, weil ich ja alles schaffen kann – dachte ich zumindest.), nach ersten zaghaften Bohrversuchen (Ich musste wirklich 37 Jahre alt werden, um hier mal selbst Hand anlegen zu „dürfen“ – und es ist einfach geil, Löcher in Wände zu bohren. ;)),……. Also nach all dem ist nun so viel passiert, dass ich mich in den neuen vier Wänden endlich richtig wohl fühle. Es ist immer noch neu und aufregend und ich kann nach wie vor minutenlang in der neuen Küche stehen, die Schubladen auf- und zumachen und mich über die Erfindung von sich selbst schließenden „Flüsterschubladen“ freuen, aber es ist ein gewisses „Zuhause-Gefühl“ dazu gekommen und das ist verdammt schön. Inzwischen drücke ich sogar nur noch ganz selten im Aufzug das falsche Stockwerk, ich habe mich seit Wochen nicht mehr vor die falsche Wohnung verirrt und gehe nur noch manchmal in das dazu gekommene Arbeitszimmer, wenn ich eigentlich in mein Bett will. Und für alle, die mich das eh schon mal fragen wollten, aber sich nicht getraut haben: Ja, ich vermisse meinen alten Ausblick sehr. Nein, Herr Alfred fehlt mir kein Stück. 😉
Aber das Beste an dieser Geschichte hier: Ich hab sie (fast) komplett während des Wartens an der Bushaltestelle und der anschließenden Fahrt damit geschrieben. Weil der junge Umzugstyp mich inspiriert hat und die Worte wie früher plötzlich nur so aus mir heraus geflutscht sind. Macht euch also ab sofort wieder auf viele neue Beiträge gefasst (…schrieb sie und lächelte dabei). Auf ein Neues!
Las es und lächelte dabei.
Dachte: Sie hat’s geschafft und freut sich auf neue Geschichten