Frau Karrer entdeckt Indochina, Teil 5: Ein Mönchslehrling führt uns durch Siem Reap und Angkor und ich bin froh, als wir Phnom Penh wieder verlassen

Eine Propellermaschine bringt uns vom vietnamesischen Danang ins kambodschanische Siem Reap. Das Visum bekommen wir direkt am Flughafen ausgestellt und anscheinend braucht es dafür mehr als ein halbes Dutzend Menschen, von denen einer kassiert, einer die Pässe aufschlägt, einer stempelt, usw. Ich betrachte das Aufgebot einfach als ein ganz spezielles Begrüßungskomitee, so fühle ich mich gleich willkommener. Einheimisches Geld werden wir laut unserem Reiseleiter nicht brauchen, denn zumindest in den Touristengebieten ist fast alles ausschließlich in Dollar angeschrieben. Mir kommt das aber recht seltsam vor, besonders in einem Land mit kommunistischer Vergangenheit, und so tausche ich trotzdem ein paar Euro in Landeswährung um. Was mir gleich zu Beginn unseres Aufenthalts auffällt: Man fährt hier deutlich anders als in Vietnam. Schneller und dem Anschein nach etwas weniger organisiert. Bei einem nächtlichen Spaziergang reißt mich Lutz kurzerhand von der Straße, damit ich nicht überfahren werde. Aber wir gewöhnen uns rasch an die „neue“ Fahrweise.

Woran ich mich nicht gewöhnen kann: Ich sehe unglaublich viel Kinderarbeit. Es macht mich traurig und wütend zugleich, dass sogar ganz kleine Kinder vor den Sehenswürdigkeiten Ansichtskarten und anderes Zeug an Touristen verkaufen. Die sollten gefälligst in der Schule sitzen und eigentlich müssten sie das auch, den in Kambodscha herrscht Schulpflicht. Das scheint aber nicht kontrolliert zu werden. Zwar sind öffentliche Schulen kostenlos, doch Schuluniformen und Bücher sind selbst zu bezahlen, die Anreise aus entlegeneren Dörfern ist schwierig bis unmöglich und oft gibt es sogenannte „Extragebühren“. Die Korruption ist hoch und viele Menschen sind sehr arm. Klar, dass diese ihre Kinder häufig arbeiten lassen, anstatt in deren Bildung zu investieren, so bitter das ist.

Zu hoffen ist, dass sich die schlimmen Zeiten, durch die Kambodscha bereits gehen musste, nicht wiederholen. Die Roten Khmer haben während ihrer Schreckensherrschaft 1965 bis 1969 immerhin fast ein Viertel der Bevölkerung ausgerottet. Beinahe hat es auch den Vater unseres lokalen Reiseleiters C. getroffen, wie uns dieser erzählt. Der war damals Mönch und diese sind ebenso wie Intellektuellen und andere Gruppen besonders stark unter Beschuss gestanden. Im wahrsten Sinne. Die Roten Khmer haben Menschen auch zwangsverheiratet und aus einer solchen Ehe sind C. und seine Geschwister hervorgegangen. Später ist sein Vater wieder ins Kloster gegangen und nun will C. in seine Fußstapfen treten und selbst Mönch werden. Abends, wenn seine Touren beendet sind, lebt er als „Mönchslehrling“ in der Gemeinschaft. Er ist sicher nicht der beste Reiseleiter der Welt, aber ich finde ihn wahnsinnig sympathisch und habe den Eindruck, dass er Gutes bewirken will. Zum Beispiel betont er stets, wir sollen bitte den schlecht verdienenden Busfahrern Trinkgeld geben, jedoch erinnert er nie daran, dass auch er selbst Trinkgeld bekommen sollte, ganz anders, als es Reiseleiter normalerweise machen. Dass jemand aus unserer Gruppe kritisiert, er hätte uns am Flughafen nur in Jogginghose abgeholt und das sei nicht korrekt, empfinde ich als Hohn. Ein Blick auf C.s abgetretene und löchrige Schuhe genügt mir, um zu ahnen, dass er einfach nicht wahnsinnig viel besitzt. Mir ist wichtiger, dass er anscheinend ein gutes Herz hat und dass ich von ihm einiges über Kambodscha erfahre, das nicht auf Wikipedia und Co nachzulesen ist.

Siem Reap, Angkor Wat und Co

Aber eigentlich wollte ich euch etwas über Siem Reap erzählen. Unser Hotel liegt etwas abseits, daher nehmen wir ein Tuktuk, um ein wenig in das Nachtleben einzutauchen. Entgegen einiger Warnungen, über die wir zuvor im Netz gestolpert sind, werden wir nicht übers Ohr gehauen. Das ist eben auch so eine Sache mit den individuellen Erfahrungen. Wir besuchen den Nachtmarkt, spazieren über die kitschig beleuchteten Brücken und durch die Pub-Street. In einem Straßenlokal, das wie so viele hier laut Trip Advisor zu den besten des Landes zählen soll, was sehr wichtig sein dürfte, essen wir Amok, eine Spezialität der Khmer. Das ist eine Art Curry, ursprünglich mit Fisch, aber es gibt sie auch vegetarisch und mit Fleisch.

Wir bleiben zwei Tage in Siem Reap und natürlich besuchen wir in der Zeit einige der zahlreichen, sehr beeindruckenden Tempelanlagen von Angkor. Wie lange es wohl gedauert hat, das alles fertigzustellen? Dass sich die Natur teilweise zurückholen darf, was einst von Menschenhand gebaut wurde, finde ich schön. Im Ta-Prohm-Tempel zum Beispiel sehen wir meterdicke Bäume, deren Wurzeln inzwischen selbst die stärksten Mauern überwuchern. Am berühmtesten ist der dem hinduistischen Gott Vishnu geweihte Tempel Angkor Wat. Vielleicht liegt es ein wenig am schlechten Wetter, dass sich bei mir trotz der gigantischen Anlage nicht der erwartete Wow-Effekt einstellen will. Vielleicht bin ich inzwischen aber auch einfach zu erschöpft, weil mir die vielen Besichtigungen kaum Zeit lassen, alle Eindrücke zu verarbeiten. Die Erschöpfung ist jedoch schnell vergessen, als wir die ewig lange Treppe auf einen der Türme erklimmen. Stattdessen kommt Panik auf, als ich eine Stufe nach der anderen erklimme und mir klar wird, dass ich auf dem gleichen Weg wieder hinunter klettern muss. Eine Herausforderung für Menschen mit Höhenangst, die ich jedoch meistere. Denn es sieht einfach zu dämlich aus, wenn Besucher rückwärts und an das wackelige Geländer festgekrallt die Stufen herab steigen. Dafür verlaufe ich mich später in der riesigen Anlage („Where’s the fucking exit?!“) und lasse mich, nachdem ich meine Leute wieder gefunden habe, von einem Mönch segnen. Ich finde ja, man muss nicht religiös sein, um so einen Moment ganz besonders zu finden. Und irgendwie ist es auch lustig, weil es dem Mann richtig Spaß machen dürfte, Touristen wie mir während der Zeremonie sehr viel Wasser ins Gesicht zu spritzen.

So berühmt Angkor Wat auch ist, noch besser gefällt mir der Bayon Tempel mit seinen meterhohen, aufwendig in Stein gemeißelten Gesichtern. In dem Tempel, der buddhistische und hinduistische Elemente vereint, könnte ich Stunden verbringen, was mir leider nicht vergönnt ist. Wie immer ist alles durchgeplant, also mache ich ganz viele Fotos und versuche, die Atmosphäre aufzusaugen, um sie später mit nach Hause zu nehmen. Am Abend sehen wir die Show „Smile of Angkor“, die leider so absolut nicht meinen Geschmack trifft. Auch das Buffet davor ist eher gewöhnungsbedürftig, denn zwischen hauptsächlich chinesischen Touristengruppen müssen wir uns teilweise mit Ellbogen zum Essen durchkämpfen. Wären die Tickets nicht schon im Preis enthalten gewesen, hätte ich es bereut, extra dafür bezahlt zu haben.

Ta-Prohm-Tempel

Angkor Wat

Bayon Tempel

Siem Reap

Phnom Penh, Stadt der Abgase und der Prostitution

Am zehnten Tag unserer Reise fahren wir mit dem Mekong-Express-Bus in die kambodschanische Hauptstadt Phnom Penh. Gleich Abends wollen wir mit dem Tuktuk den Phnom Penh Tower besuchen, der angeblich einen tollen Ausblick auf die Stadt bietet. Als der Fahrer allerdings allzu lange und wirr durch die Gegend kurvt, merken wir, dass er absolut planlos ist. Irgendwann stoppen wir ihn, um auszusteigen, stattdessen kommt er nach hinten und kramt mühsam und kleinlaut seine Brille hervor, um den Tower noch einmal auf dem Plan zu suchen. Mir tut er aufrichtig leid und er bekommt ein saftiges Trinkgeld, denn wir haben zwar nicht gefunden, was wir gesucht haben, dafür eine recht lange Stadtrundfahrt genossen. Den Turm finden wir auch zu Fuß nicht, dafür sehen wir den schön beleuchteten Königspalast, den offiziellen Regierungssitz, bei Nacht, und erleben, wie ein kompletter Straßenabschnitt abgesperrt wird, weil der chinesische Präsident gerade zu Besuch ist und demnächst durch die Stadt kutschiert werden wird. Darauf warten wir allerdings nicht, sondern entkommen diesem Irrsinn, indem wir erneut aus einem Tuktuk aussteigen und zu Fuß weitergehen.

Am nächsten Tag besuchen wir den Königspalast von Innen, außerdem die Silberpagode, das Nationalmuseum mit ziemlich coolen Statuen von allen möglichen Göttern und den Zentralmarkt, der riesengroß ist und mich ehrlich gesagt etwas überfordert. Immerhin finde ich einen Schal, handle die Verkäuferin herunter, obwohl ich Handeln hasse, und kaufe gefühlt zwei Kilo Bananenchips, die zu meiner Verwirrung beim Bezahlen plötzlich teurer sind, als ausgemacht. Egal. Woran ich mich in Phnom Penh gar nicht gewöhnen kann: An den irrsinnigen Gestank, die Stadt riecht permanent nach Abgasen, und an die so offensichtliche Prostitution, wie ich sie noch nie erlebt habe. Alte, bierbäuchige Männer mit blutjungen Frauen, mit dem Anblick komme ich einfach nicht klar. Irgendwie bin ich nicht allzu traurig, als wir Kambodschas Hauptstadt verlassen und mit dem Schnellboot zurück nach Vietnam fahren…

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Drachenboot an der Promenade

Königspalast

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