Glibber-Ballett

Bei Schwimmen mit Tieren hatte ich bisher immer an Delfine gedacht. Dann traf ich im Meer auf eine ganze Armee von Quallen: elegant, gläsern, leise. Aber auch: glibbrig, eklig, wie lebendige Gelatineklumpen. Und ich lernte eine Lektion darüber, wie Abstoßendes gleichzeitig auch anziehend sein kann.

Mit sandigen Füßen gehe ich die Steinstufen hinunter zum Meer. Der Strand ist klein, aber fein. Das Wasser vor mir ist technisch gesehen nur ein Flussarm. Aber mit Salzwasser – und für mich ist es in diesem Moment eben das Meer, das mir zur Verfügung steht. Ein glitzerndes, kühles Blau, dass endlos zu sein scheint und mich zum Abkühlen einlädt. Badetuch ablegen, Luft holen, reinspringen.

Lautlose Parade

Schon beim Eintauchen sehe ich sie: erst einzeln, dann in Gruppen, schließlich wie eine lautlose Parade. Die Quallen wirken wie gläserne Glocken oder elegante Tänzerinnen. Wie die Queens der Meere, die sie sind. Aber sie fühlen sich auch an, als hätte das Wasser Arme bekommen. Drei Züge, und die erste streift mein Schienbein; vier, fünf, sechs – die nächste. Plötzlich mittendrin. Beim Schwimmen mit Tieren hatte ich immer an Delfine gedacht, schmunzle ich.

Jede Berührung ein kurzes Zucken, ein knapper Schrei, dann lautes Lachen. Schwimmen im Glibber-Ballett. Es ist, als glitte ich durch einen Pool mit nassen Luftballons. Als läge ich in einer Wanne, randvoll mit Gelatineklumpen.

Perspektivenwechsel

An der Treppe bleibt eine Frau stehen. Ihre Miene sagt alles. Ich nicke verständnisvoll und schwimme weiter. Nicht giftig, rede ich mir gut zu. Von der großen Blauen halte ich mich aber fern – ihre Blumenkohl-artige Krone ist beeindruckend, ihr Gift vielleicht weniger.

Ich gehe in dieser Stunde noch zweimal ins Wasser. Nicht, um mir etwas zu beweisen, sondern weil das Meer an diesem ungewöhnlich warmen Spätsommertag einfach zu verlockend wirkt. Ausblenden? Ignorieren? Nein igitt, geht nicht. Nebenbei frage ich mich, wie ich mich wohl für die Quallen anfühlen mag. Meine Bewegungen sind vorsichtig, aber sicher nicht vorsichtig genug. Wie eine ständig aufschwingende Türe, die ihnen bei jedem Zug mit Karacho gegen dieKöpfe haut.

Unerwartet, eklig, seltsam schön

Etwas vom unfreiwilligen Schwimmen mit den Quallen bleibt: Berührungen, die zuerst schrecken, dann staunen lassen. Unerwartet, eklig, aber auch seltsam schön. Abstoßend und anziehend zugleich. Einer dieser kleinen Momente im Leben, die einzigartig sind – und sich deshalb einprägen.

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