Zu viel Zeug hier, zu wenig Zeug dort

Wochen-, monate-, teilweise jahrelang konnte ich es aufschieben. Mein Kleiderschrank war schon zu lange prall gefüllt mit Gewand, dass mir nie mehr passen und/oder gefallen würde. Ständig, immer häufiger höre ich dagegen von Menschen, die im Gegensatz zu mir nichts haben. Wusste ich natürlich schon. Aber wir kennen alle Gründe, warum man das Unausweichliche aufschiebt: keine Zeit, keine Lust, irgendwann werde ich es schon machen, vielleicht brauche ich es ja doch noch..

Nein, ich brauche nichts davon. Ich hatte fünf oder sechs Garnituren an Bettwäsche. Doppelbett. Ich brauche maximal drei davon, wenn überhaupt. Ich hatte zwei ganze Regale in meinem Kleiderschrank voll mit Gewand, dass ich seit Jahren nicht mehr getragen habe. Warum?

Einem Freund ging es ähnlich, er hatte seine ausgemusterten Sachen sogar schon bereit gelegt. Lediglich: Man muss es auch wegbringen. Diese Altkleider-Container, die beinahe an jeder Ecke stehen, kamen für uns nicht in Frage. Aber der Tag der Entsorgung war rasch fixiert: morgen. Hieß: Ein Tag Zeit, um Überflüssiges in Ikea-Taschen zu packen. Bei ihm waren es drei, bei mir wurden es zwei.

Wass ich mir gewünscht hätte: Eine Plattform, auf der jedes noch so kleine Projekt, das Flüchtlinge, Obdachlose und andere Menschen, die zu wenig zum Leben haben, unterstützt, schreiben kann, woran es mangelt. Leider wurde ich nicht fündig. Möglicherweise habe ich nicht genug recherchiert. (Für entsprechende Tipps wäre ich dankbar.)

Zeug zu Carla Nord

Letztendlich wurde es Carla Nord, einer jener Standorte der Caritas, an denen Kleidung gesammelt wird, um sie Flüchtlingen zukommen zu lassen. Superfreundliche Mitarbeiter übrigens, muss man auch mal sagen.

Beim Gedanken daran, dass sich Menschen, die wirklich NICHTS haben, über Kleidung freuen könnten, die mir nur noch lästig war, kann ich dennoch nicht lächeln. Zu präsent sind die Bilder aus Traiskirchen, aus menschenunwürdigen Zeltlagern mitten im viertreichsten Land der EU, aus Gemeinden, die nichts tun… Man müsste so viel mehr machen. Aber das hier ist (m)ein Anfang. Es macht mich demütig, denn von einem habe ich wirklich mehr als genug: ZEUG. Es sammelt sich an, weil man denkt, dieses und jenes zu brauchen. Und irgendwann wird das alles zur Belastung.

Gerade in den letzten Wochen wird mir regelmäßig übel, weil mir jeden Tag bewusster wird, was ich alles habe, während andere nichts haben. NICHTS. Gegen die obendrein auch noch gehetzt wird, als könnten sie uns irgendetwas wegnehmen. Nein, das tun sie nicht. Das sind Menschen, die ALLES hinter sich lassen mussten. Nicht nur Zeug, sondern vor allem auch Familie, Freunde, Wohnung, ihr ganzes Hab und Gut, ihre Sicherheit. Weil sie keine andere Wahl hatten, sondern zufällig an Orten geboren wurden, an denen seit Jahren geschossen, bombardiert, vergewaltigt, gefoltert, beliebig weggesperrt wird. Und wir alle schauen zu. Das kann ich mir nicht einmal im Ansatz vorstellen. Zum Glück muss ich das auch nicht. Aber ich kann diesen Menschen zuhören und meinen Teil dazu beitragen, um ihr Leben zumindest ein Stück weit angenehmer zu machen.

Zeug als Tropfen auf den heißen Stein

Versteht mich nicht falsch, das ist nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Ist mir bewusst. Aber steter Tropfen höhlt den Stein. Und während sich die einen in sozialen Medien und an Stammtischen geradezu im Hass suhlen, beginnen auf der anderen Seite immer (noch) mehr Menschen, etwas zu tun. Zeit schenken, Sachen schenken, Geld schenken, die öffentliche Aufmerksamkeit auf die dunkelsten Seiten dieses Landes lenken… Das macht mich ein bisschen stolz. Und ich kann nur hoffen, dass diese Seite bei Flüchtlingen, die in meinem Land „stranden“, ankommt. Dass diese positiven Dinge hasserfüllte Schilder, Parolen und Postings übertönen.

Von mir aus sind wir „Gutmenschen“, ist mir lieber, als ein „Schlechtmensch“ zu sein. Es sind so kleine Dinge, die ich tue. Und manche von euch bewirken dagegen so viel Großes. Kleine Tropfen. Große Tropfen. Kleine Steine. Große Steine. Machen wir bitte weiter… Jeder von uns kann seinen Teil beitragen. 

 

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2 Gedanken zu „Zu viel Zeug hier, zu wenig Zeug dort“

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