Wortloser Abschied

Hallo du. Ja, du bist gemeint, fiktiver Mann.

Du weißt natürlich, dass fiktiv nicht ganz richtig ist. Du bist ebenso real wie er, er und auch er. In vielem seid ihr so unterschiedlich gewesen, aber eines hat euch alle geeint: Keiner hat geredet. Immer ist alles gut gewesen, wir sind einander näher gekommen, es hat sich, wie man so schön sagt, etwas entwickelt zwischen dir und mir. Es war nie fad. Du hast dich um mich bemüht. Vielleicht habe ich nicht rechtzeitig bemerkt, wie das Bemühen nachgelassen hat. Vielleicht wollte ich es nicht sehen. Ich wünschte, du hättest mit mir geredet. Manchmal wünschte ich, du würdest es wenigstens jetzt, Wochen, Monate, Jahre später, tun. Irgendwann hast du dich jedenfalls von mir verabschiedet. Nicht laut, nicht deutlich, nicht vorhersehbar. Manchmal nicht einmal leise, sondern ganz einfach stumm. Kein Wort. Nichts.

Mich verwirrt das. Sicher bist du der Falsche gewesen, sicher bin ich ohne dich besser dran. Sicher möchte ich dir auch nicht die Schuld für alles geben, was nach dir passiert ist. Im Gegenteil: Ohne dich wäre ich jetzt nicht da, wo ich bin. Aber du, du und auch du, ihr alle habt zu meiner Verunsicherung beigetragen. Bin ich es nicht wert, dass man mit mir spricht? Warum bin ich es dir nicht wert gewesen? Es ist leicht, ein Herz zu brechen. Wahrscheinlich hat das jeder von uns schon getan. Im Nachhinein würde auch ich in manchen Situationen anders reagieren, ich habe dazu gelernt. Was uns voneinander unterscheidet: Ich habe immer geredet. Vielleicht nicht sofort, manchmal müssen zuerst die eigenen Gefühle sortiert werden. Aber ich habe nie den für mich leichtesten Weg genommen, klammheimlich meine Rest-Gefühle in einen Karton gepackt, in den Keller gebracht und bin für immer verschwunden.

Vielleicht liegt es an mir. Möglicherweise aber ist das Gegenteil der Fall und ich habe die Schuld immer zu sehr bei mir selbst gesucht. Am Ende des Tages gibt es natürlich keine Schuld. Das weißt du und das weiß ich. Eine Beziehung funktioniert nicht immer. Meine mit dir, dir und dir hat eben keine Zukunft gehabt. Aber du wärst verdammt nochmal verpflichtet gewesen, mir das auch mitzuteilen.

Was nun? Es wieder und wieder probieren? Sich die Nase nochmal und nochmal blutig stoßen? Eine Sache beenden, wenn ich auch nur eine klitzekleine Ahnung davon bekomme, dass er wieder einer von euch sein könnte? Ihm möglicherweise Unrecht tun, um nicht selbst verletzt zu werden? Ich weiß es nicht. „Mehr Mut“, würdest du vielleicht sagen, könntest du dich wenigstens dazu überwinden. Das klingt gut und richtig. Für dich sind es nur zwei Wörter. Doch für mich bilden sie eine Mauer, die zu überwinden immer schwieriger wird.

_SunGoesDown web _ c Sabine Karrer

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4 Gedanken zu „Wortloser Abschied“

  1. Bitte NIE an dir zweifeln. Auch wenn die Fragen die zurück bleiben mehr und quälender werden. Vorallem das WARUM für immer unbeantwortet bleibt. Man will ja eh nichts festhalten was nicht zu einem gehört. Man will es Verdammt nochmal nur einmal verstehen. Selbst wenn derjenige vor einem steht und sagt „Ich liebe dich einfach nicht! “ Zumindest so viel Mut und Ehrlichkeit hat man sich verdient! Alles Liebe, Karin

    1. Er ist inzwischen Geschichte. Zwar hat er es gar nicht bei Funkstille belassen, die war aber insofern gar nicht so schlecht, weil ich in der Zeit draufgekommen bin, dass das mit uns überhaupt keinen Sinn macht. In dem Fall kann man also wirklich sagen: Alles ist am Ende zu irgendwas gut. You love, you learn, oder so. 😉 Danke für deine lieben Worte!

  2. liebste angeschwiegene,

    sei dir versichert, auch ich bin so wie du und sie und sie und auch sie eine von vielen. denn er, er und auch er hat das nicht zum ersten mal gemacht. und sicher auch nicht zum letzten mal. denn er kann nicht anders, hat es nie gelernt oder bei DER einen verlernt, die ihm das herz so gebrochen hat, dass er, er und auch er SEINE mauern nicht mehr einreißen kann. und so lange schweigend geht bis ihm klar wird – am stillsten ist es in ihm selbst. ob er, er und auch er dann so reflektiert ist, sein muster zu erkennen und zu unterbrechen?

    wir werden es nicht wissen. aber du, sie, sie und auch ich – wir sind hier. und es liegt an uns, die wichtigste beziehung in unserem leben NIE zuzumauern. die zu uns selbst. denn sie alle, die gehen ohne zu reden – sie schreien damit nur ihre eigene unfähigkeit hinaus. die mit ihren eigenen gefühlen umzugehen. denen sich selbst gegenüber und auch dir, mir all den anderen gegenüber.

    nichts an dir, ihr und mir ist verkehrt. und wer weiß, was sie uns erspart haben, indem er, er und auch er einfach so gegangen ist. und daher bleibe ich bei mir. und bei dir. und bei ihr. und bleibe offen. liebe mutig und hab ein tapferes herz. denn so wie er, er und er – so möchte ich nicht werden. du?

    1. Danke für deine lieben Worte. Es wurde zwar dann doch nicht weiter geschwiegen, vielleicht eine Überreaktion meinerseits (Leser des Artikels verstehen es sicher ;)). Nichtsdesotrotz hab ich schließlich den Schlussstrich unter diese Sache gezogen. Wenn es sich nicht richtig anfühlt, kann es auch nicht richtig sein. Aber immerhin: Ich hab nicht geschwiegen, sondern geredet. Auch wenn’s halt das letzte Wort zu dieser Sache war. 😉

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