Ich klick dich dann mal weg

Apps wie „Who unfollowed me“ verständigen mich, wenn mich zum Beispiel bei Twitter jemand entfolgt oder blockiert. Ich schmunzle immer ein bisschen über solche Anwendungen, denn mich interessieren Entfolgungs- und Blockier-Aktionen von mehr oder weniger Fremden gar nicht. Anders ist es bei Menschen, die Teil meines „realen Lebens“ sind, die vielleicht sogar durch Twitter und Co erst dazu geworden sind. Bei denen schmerzt ein plötzliches „Tschüß“ ohne „Tschüß“ zu sagen natürlich sehr. Leute, die ich zu meinen Freunden, guten, lieben beziehungsweise geschätzten Bekannten zähle und die das umgekehrt auch machen, sollten sich nicht klammheimlich aus dem Staub machen. Sollten. Kommt leider trotzdem vor.

Weil ich in dieser Hinsicht im Laufe der Jahre schon ein regelrechtes Trauma entwickelt habe, lasse ich sowas mittlerweile ungern stehen, auch wenn das immer das Risiko einer noch größeren Enttäuschung birgt und mir vielleicht egal sein sollte. Meistens kommt nichts zurück, vielleicht, weil es gar keine wirkliche Erklärung gibt oder weil es dem Gegenüber wurscht ist und es schon immer war oder im Laufe der Zeit geworden ist. Glaubt mir, das fühlt sich schon ziemlich beschissen an, wenn man jemanden nur ein paar Wochen lang gedatet hat (Hallo, B., M. und W., ihr seid gemeint). Aber absentiert sich ein Mensch, den man lange kennt (oder zu kennen geglaubt hat), mit dem einen mehr verbindet als ein paar lustige, oberflächliche Abende, von einem Tag auf den anderen, ohne Erklärung, ohne eine Chance, irgendetwas klarzustellen, dann ist das noch viel verletzender.

Man kann sich vorstellen, was das vor Kurzem für ein Schlag ins Gesicht gewesen ist, als ich festgestellt habe, dass ein langjähriger lieber Bekannter heimlich, still und leise die „Entfreunden“-Taste bei Facebook betätigt hat. Einfach so, einfach weg. „Ich meine, ist schon okay, dass du mich entfreundet hast, kannst ja machen, was du willst. Aber mich würde halt interessieren, warum“, habe ich ihm als Nachricht geschrieben. Das ist jetzt ein paar Tage her, eine Antwort wird nicht mehr kommen, also muss es egal sein, egal werden.

Natürlich ist es leichter, zu verschwinden

Vielleicht macht es die digitale Welt noch einfacher, Menschen aus seinem Leben zu streichen. Gerade bei diesem einen Bekannten bin ich oft selbst kurz davor gewesen und es hätte so vieles erleichtert, wenn ich zum Beispiel an diesen einen Abend in der Arena denke, an dem meine Freunde lustig Bier getrunken haben, während ich wild in die Tasten getippt habe, um da mal was klarzustellen. Nur: Ich hätte es trotzdem nie getan. Die eine oder andere krasse Aussage hat immer wieder zu hitzigen Diskussionen geführt, welche meistens mit der Einsicht geendet haben, dass wir einander eh irgendwie verstehen, halt nicht immer einer Meinung sind, aber uns gegenseitig schätzen und mögen. Zumindest dachte ich, dass auch er diese Worte ernst gemeint hat. Vielleicht hat er das damals sogar.

Andererseits, auch das ist eben die digitale Welt: Ohne Facebook hätten er und ich vermutlich längst keinen Kontakt mehr gehabt. Und sicher, ich könnte ihn anrufen und versuchen, die Sache zu klären. Abseits vom Digitalen, ganz klassisch übers Telefon. Klassischer wären nur noch eine Anzeige in der Zeitung oder eine Brieftaube, vermute ich. Aber keine Antwort ist auch eine Antwort und anscheinend gibt es für ihn nichts zu klären. Ist so, auch wenn’s kränkend ist.

Ein Klick und jemand war Teil deines Lebens

Digitale Medien bringen ohne jeden Zweifel viele Vorteile, aber wir müssen eben auch mit den Nachteilen leben. Sicher ist das sogenannte „Ghosting“ kein neues Phänomen, aber die Tatsache, dass wir einander heute über Twitter, Facebook oder Dating-Plattformen kennenlernen, oft gar keinen gemeinsamen Freundeskreis haben, niemanden, der uns jemals darauf ansprechen wird, was da passiert ist, und dass alles irgendwie ein bisschen unverbindlich wirken mag, verstärkt das vermutlich ein Stück weit. „Folgen“/„Als FreundIn hinzufügen“ und „Entfolgen“/„Als FreundIn entfernen“ teilen sich praktischerweise sogar den gleichen Button bei Facebook und Twitter. Ein Klick und jemand ist Teil deines Lebens. Ein Klick und jemand war Teil deines Lebens.

Man kann natürlich einfach verschwinden, man muss aber nicht. Ich überlege mal kurz, wen ich in den letzten Jahren so alles entfreundet, entfolgt und blockiert habe, wenn ich Rechtsextreme, Trolle, Sexisten und Hetzer außen vor lasse… Hm, einen Bekannten aus der Studentenzeit, der wiederholt durch fremden- und frauenfeindliche Aussagen aufgefallen ist, Kategorie „Irgendwann wird er vielleicht mal in der Zeitung stehen und wir werden dann alle nicht überrascht sein“, und naja, B., M. und W. aus oben genannten Gründen. Okay und S., die hatte das mit dem Ghosting auch ziemlich gut drauf. That’s it.

Wenn etwas ausgesprochen werden sollte, dann ist es einfach auszusprechen. Punkt. Jemanden wortlos aus seinem Leben zu verbannen, den man angeblich schätzt, das geht nicht. Das ist sogar ziemlich schwach, denn es ist die einfachste, feigste Form, sich mit etwas oder jemandem gar nicht erst konfrontieren zu müssen. Und ich sag’s mal so: Dem oder der nächsten, der/die beschließt, sich klammheimlich aus meinem Leben zu verpissen, trete ich so richtig in den Arsch, versprochen.

 

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