Weltfrauen

In den vergangenen Jahren habe ich anlässlich des Internationalen Weltfrauentages bereits zwei Frauen porträtiert, die einen für sie oft holprigen Weg gegangen sind und mich sehr geprägt haben: meine Oma und meine Mama. Wer sind diese Frauen, warum finde ich, dass sie „Weltfrauen“ sind, und warum brauchen wir eigentlich noch Feminismus?

Zwei Generationen, die mich geprägt haben

Meine Oma, zu der ich nicht immer ein ganz einfaches Verhältnis hatte und mir vieles erst nach ihrem Tod bewusst geworden ist. Dass es für sie alles andere als leicht gewesen sein muss, sich mit zwei Kindern mehrheitlich alleine und mit schlecht bezahlten Jobs durchschlagen zu müssen. Dass sie sich überhaupt zur Scheidung durchgerungen hat, in einer Zeit, in der das nicht üblich war, schon gar nicht, wenn es von der Frau ausging. Heute verwundert es mich nicht mehr, dass sie ihren Ehering bis zu ihrem Tod getragen hat, denn gelitten hat sie unter diesem Ehe-Ende, so glaube ich, ihr Leben lang. Dass sie aus der Kirche ausgetreten ist, als überhaupt noch kaum jemand diesen Schritt getan hat. Vermutlich war das in Innsbruck noch einfacher als im Dorf, aber hey, Innsbruck, so groß ist die Stadt auch nicht, dass man einander nicht kennen und vieles über den anderen wissen oder zu wissen glauben würde. Ich bewundere meine Oma auch dafür, dass sie in späteren Jahren in einige Länder dieser Welt gereist ist. Alles hart erspart, aber dafür war sie immer offen.

Meine Mama, ihre Tochter, die in ihrem Leben so vieles möglich gemacht hat. Meistens für andere, darin war sie schon immer gut. Die bei uns Kindern zu Hause geblieben ist, weil es sich finanziell halt gerade irgendwie ausging, die schon bald die Freiwilligenarbeit und für sich entdeckt hat und dort ihr großes Organisationstalent beweisen konnte. Die Feste und Feiern genauso wie Spendenaktionen auf die Beine gestellt und Menschen zusammengebracht hat. Die „einfach mal so“ gemeinsam mit ihren Mitstreitern eine Hauskrankenpflegeorganisation aus dem Boden gestampft und später gleich ein ganzes Haus „gebaut“ hat, damit ältere Leute auch im Fall von Pflegebedürftigkeit in ihrem Grätzel bleiben dürfen. Die immer wie eine Löwin für diese Menschen gekämpft hat, so wie sie es heute zusätzlich auch für ihre „Jungs“, vor allem aus Afghanistan geflüchtete junge Männer, tut. Zugegeben, es war und ist nicht immer ganz einfach, neben dieser Frau zu bestehen, aber das okay so, denn es braucht Vorbilder. Wenn man diese in der eigenen Familie findet, umso besser. Und ich habe immer Mamas Satz im Ohr: „Glaub mir, ich war auch nicht immer so.“ So, wie ich vor zehn Jahren eben auch anders war, als ich es heute bin.

Und eigentlich darf ich auch meine andere Oma, die meinen Papa dank der Abwesenheit seines Erzeugers alleine großgezogen hat, in eine Reihe mit diesen starken Frauen stellen. Mein Papa wurde 1943 geboren, man kann sich vorstellen, wie schwierig das für diese Frau gewesen sein muss. Diese andere Oma habe ich leider nie kennengelernt, sie ist früh gestorben. Aber auch vor ihrem Tod nach einer langen, schweren Krankheit hat sie dafür gesorgt, dass mein Papa, damals noch ein Teenager, eine Zukunft hat. So gut es eben ging.

Ich hatte Glück und tolle Vorbilder

Mir ist bewusst, dass ich um vieles nicht mehr so sehr kämpfen musste wie die beiden in meinem Alter. Das liegt sehr stark daran, dass ich nicht zuletzt dank ihrer „Vorarbeit“ sehr viel weniger Hürden überwinden musste, dass ich glücklicherweise in einer Gesellschaft und Zeit lebe, in der einiges an Gleichberechtigung bereits erreicht wurde, aber noch längst nicht alles. Für mich hatte vieles sicher individuelle Gründe: Nicht, dass meine Familie jemals zur wohlhabenden Schicht gehört hätte, aber gewisse finanzielle Möglichkeiten waren da und das kann ja durchaus hilfreich sein. Aber vor allem haben mir meine Eltern praktisch alle Freiheiten gelassen. Du willst maturieren? Klar, mach! Du willst studieren? Unbedingt, wenn das dein Wunsch ist! Geisteswissenschaften? Publizistik, Sozial und Kulturanthropologie? Ist jetzt vielleicht nicht BWL oder Jus, aber sicher, du machst deinen Weg schon. Hauptsache, es macht dir Freude. Du brauchst mit dem Studium ein bisschen länger als andere? Kein Problem, mach nur, du schaffst das. Du bist mit 37 nicht verheiratet und hast Kinder? Ist doch kein Thema, auch wenn wir uns natürlich genauso darüber freuen würden. Du willst den sicheren Job aufgeben, um dich selbstständig zu machen? Sicher, versuch es einfach, wir stehen hinter dir!

Warum ich das alles so betone? Weil das alles andere als selbstverständlich ist. Auch hier in Österreich. Es gibt noch viel zu tun und wer genau heute, anlässlich des Weltfrauentages, in den sozialen Medien unterwegs ist, wird das besonders stark merken. Es geht nicht darum, dass Frauen die besseren Menschen sind, sondern es geht um Gleichberechtigung. Es geht darum, dass Frauen in vielen Bereichen auch noch 2017 benachteiligt sind. Darum, dass zum Beispiel nach wie vor mehrheitlich Frauen mit Kindererziehung, Haushalt und der Pflege von Angehörigen alleine gelassen werden. Dass sie weitaus öfter als Männer geringfügig oder Teilzeit und in prekären Jobs arbeiten und daher später eine niedrigere Pension bekommen beziehungsweise von ihren Männern abhängig bleiben werden. Dass sie wesentlich seltener in Führungspositionen kommen. Dass sie immer noch gerne von oben herab als „arme Hascherln“ behandelt werden. Ist einfach so. Muss sich ändern. Müssen wir ändern.

Es braucht starke Frauen – nach wie vor

Umso dankbarer bin ich dafür, viele starke Frauen und auch Männer zu kennen, mit denen gemeinsam man etwas bewegen kann. Meine engagierten Kolleginnen und Kollegen vom Verein Freischreiber zum Beispiel, mit denen es einfach Spaß macht, sich für faire Arbeitsbedingungen für freie Journalistinnen und Journalisten einzusetzen. Meine Freundinnen und Bekannte, die tapfer ihren Weg gehen, sich für andere in die Presche werfen, dabei selbst so manchen Stein auf die Seite räumen müssen und damit wiederum Vorbilder auch für mich sind. Oder aber die Frau, die alleine mit ihren Kindern aus Syrien geflüchtet ist und hier wieder von vorne beginnen muss. Die ganzen großen Vorreiterinnen, ohne die vieles heute gar nicht möglich wäre. All diese Frauen, die in anderen Ländern, in denen man von Gleichberechtigung noch viel weiter entfernt ist als hierzulande, teils sogar unter Lebensgefahr um Frauenrechte kämpfen.

Den „Wir brauchen keinen Feminismus mehr“-Schreierinnen und -Schreiern sei gesagt: Ohne Feminismus wären wir heute nicht da, wo wir stehen. Und wir würden uns sogar ganz schnell wieder dorthin bewegen, wo andere Frauen und wie schon erwähnt auch Männer erst sehr mühevoll und Schritt für Schritt alle so selbstverständlich erscheinenden Freiheiten erkämpfen mussten.

Nachlese:

Zum Weltfrauentag 2012: meine Oma

Zum Weltfrauentag 2013: meine Mama


Drei Generationen starke Frauen in einem Bild vereint.

 

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2 Gedanken zu „Weltfrauen“

  1. Was soll ich dazu sagen? Danke mal für den „Blumenteppich“!
    Ich habe mich meist als Motor gesehen, denn ohne all das andere (Beispiel Auto: Räder, Lenkrad, Kurbelwelle, Bremse, Gas, Stoßdämpfer, …) kann nix was werden.
    Ich habe mich selten gescheut, auch schwierige Dinge anzupacken. Das Leben ist voll von Hürden, die genommen werden wollen. Und wer A sagt, muss auch B sagen. Aussteigen, Finte ins Korn werfen, das war nicht Meines.
    Die ehrenamtlichen Tätigkeiten (Bastelrunde, Dritte Welt – Arbeit, Betreuungsarbeit, Hospizbereich u.v.m.) waren neben der Möglichkeit zur Beschäftigung bzw. für soziale Kontakte auch die Chance, mit so bewundernswerten Menschen wie z.B. Dr. Marina Kojer in Kontakt zu kommen, ja tiefe Verbundheit zu empfinden und Freundschaft zu pflegen.
    Ehrenamtlichkeit war aber auch für Euch „Kinder“ und Eure Freunde ein riesiges Übungsfeld. Vor allem mit Eurem Pfarrer Pater Elmar, der Euch alle Freiheiten zugestand. Ich denke an die beiden Kinder- und Jugendfeste, die ihr trotz Eurer Jugend großartig organisiert habt.
    Vermutlich hat mich auch geprägt, dass ich eben nicht in einem begüterten Haus aufgewachsen bin. Früh habe ich gelernt, wie sich Entbehrungen anfühlen. Wahrscheinlich weiß ich genau deshalb so gut, wie es meinen geflüchteten Freunden ergeht. Und ja, die Welt braucht Vorbilder. Ich sag das „meinen Jungs“ immer wieder, dass sie all das, was sie von mir (von uns – denn auch das mach ich nicht allein) Gutes erhalten, später auch an nderen weitergeben, die Hilfe brauchen.
    Und schließlich habe ich eine kleine, aber wunderbare Familie, ohne deren Verständnis ich viel nicht hätte machen können. Und Freunde habe ich – so treue Freunde jeden Alters!!! (Da kann man schon den einen oder anderen, der im Laufe des Lebens weggebrochen ist, verschmerzen.)
    Zu guter Letzt: Ihr könnt es Euch noch nicht vorstellen, aber das Alter nagt natürlich spürbar an den Energiereserven. Ich kann noch immer viel bewirken, aber alles geht eben schon etwas langsamer. Was ich aber noch lange können und tun werde, ist: Euch Jüngere motivieren, stärken, ermuntern, .. Die Welt ändert sich nur dann zum Besseren, wenn WIR das zusammen tun.
    In diesem Sinne danke für die Blumen, danke für diese hohe Wertschätzung. Und die Bitte, sich nicht an Deiner Oma oder mir zu messen, sondern Deinen ganz eigenen Weg zu gehen. Meine Unterstützung wirst Du immer haben.
    Dein Mütterlein 🙂

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