Spenden statt schenken: Weihnachten fällt heuer aus

„Übrigens, wenn wir schon alle zusammen sitzen…“ In unserer Familie ist das seit jeher die Einleitung zu wenig Erfreulichem. Bambarabammm, Paukenschlag. „Ich bin nicht mehr mit xy zusammen“ oder gar „Xy ist gestorben“ sind mögliche Fortsetzungen. Aber auch besonders Erfreuliches wie „Wir bekommen ein Kind“ kann folgen. Sagt einer von uns diesen Satz, wissen jedenfalls alle: Jetzt kommt was…

„Wenn wir schon alle zusammen sitzen…“, beginne ich an diesem Nachmittag. Alle Blicke sind auf mich gerichtet. Jetzt kommt was. „…wenn es für euch okay ist, dann möchte ich euch heuer nichts schenken. Und ich fände es schön, wenn ihr das umgekehrt auch so macht.“

Das Geld für Weihnachtsgeschenke einfach spenden

Während wir praktisch alles haben, was wir brauchen, gibt es Menschen, denen es an allem fehlt. Viele von ihnen mussten in den letzten Jahren ihre Heimat verlassen und suchen Schutz in Europa, in Österreich. Viele von ihnen habe ich heuer bereits kennengelernt. In Traiskirchen, am Haupt- und am Westbahnhof, bei der Akuthilfe Hietzing, über Freunde und Bekannte.

Familien, die sich nichts anderes wünschen als in Frieden zu leben. Junge Frauen und Männer, die einfach nur eine Chance brauchen, um sich hier eine neue Zukunft aufzubauen. Menschen, die ihr weniges Geld Miethaien in den Rachen werfen müssen, um wenigstens ein Dach über dem Kopf zu haben, während sie auf ihren Asylbescheid warten. Die teilweise selbst Tag und Nacht am Bahnhof stehen, um dort zwischen neu ankommenden Flüchtlingen und Helfern zu dolmetschen. Die die deutsche Sprache in Windeseile lernen, ohne zu wissen, ob sie überhaupt bleiben dürfen. Den Ehrgeiz hätte ich auch gerne. Ein Mann, der alles verloren hat, dessen Frau mit den Kindern in einem Lager in der Türkei festsitzt. Der wie viele andere Geflüchtete selbst mit anpackt, damit ihm die Decke nicht auf den Kopf fällt, während ihn der Staat zum Nichtstun verdammt. Die vielen ehrenamtlichen Helfer, die so viele Stunden, Tage und Wochen ihrer Freizeit dazu verwenden, Menschen in Not zu unterstützen. Ihnen allen hilft jeder Cent und jede Minute Zeit.

Pralle Geschenkepackerln hier, Hilfsbedürftigkeit dort. Das geht nicht zusammen.

Die Vorstellung, dass unter der aufgemotzten Tanne massenhaft Geschenke für uns liegen und gleichzeitig vielen dieser Menschen das Notwendigste fehlt, geht für mich nicht zusammen. Das macht keinen Sinn. Eines der bisher schönsten Weihnachten bisher war für mich jenes, an dem wir eine bosnische Flüchtlingsfamilie eingeladen hatten, mit uns zu feiern. Damals war ich noch ein Teenager, aber die Freude auf beiden Seiten ist mir bis heute in lebendiger Erinnerung geblieben. Leuchtende Augen auf beiden Seiten. Auch über die Packerln, die es für jeden von uns gab, aber vor allem einfach deshalb, weil wir zusammen waren.

Auf das Zusammensein mit meiner Familie freue ich mich auch heuer wieder, auf das gemeinsame Essen, auf den Weihnachtsbaum, aufs Plaudern und Lachen, auf die gemeinsame Zeit. Aber bitte ohne Konsumterror. 349 Euro wollen Herr und Frau Österreicher heuer durchschnittlich für Weihnachtsgeschenke ausgeben, lese ich, das ist noch mehr als im Vorjahr. Zumindest sagt das eine Studie, die marketagent.com im Auftrag von Unibail-Rodamc, dem Betreiber der Einkaufstempel Donauzentrum und SCS. Ich finde das absurd und mache da nicht mehr mit.

Wir werden uns über leuchtende Augen freuen, obwohl wir sie selbst gar nicht sehen.

Stattdessen werden Familie und enge Freunde hübsche, selbstgebastelte Kärtchen bekommen, auf denen sie sehen können, an wen ihre Geschenke gegangen sind. An welches Projekt, an welche Menschen, für welche Art von Hilfe. Die Zeit, die ich normalerweise für die Suche und das Shoppen von halbwegs passablen Geschenken aufwende, und das Geld, das ich dafür ausgegeben hätte, werde ich dieses Jahr in ausgewählte Projekte investieren. Wir werden uns über leuchtende Augen freuen, obwohl wir sie selbst gar nicht sehen werden. So einfach ist das.

„Ist ihr Tun nicht ein Tropfen auf einen heißen Stein?“ – „Aber gäbe es diese Tropfen nicht, gäbe es auch das Meer nicht.“

Es ist nur ein kleiner, bescheidener Beitrag, den ich dank der heuer etwas anders Beschenkten leisten kann. „Ist ihr Tun nicht ein Tropfen auf einen heißen Stein?“ soll Karlheinz Böhm, Gründer der Äthiopienhilfe „Menschen für Menschen“, einmal Mutter Theresa gefragt haben. „Aber gäbe es diese Tropfen nicht, gäbe es auch das Meer nicht“, soll diese geantwortet haben. Meine Hoffnung ist, dass sich vielleicht auch andere von meinem Vorhaben anstecken lassen – je mehr Tropfen wir schaffen, umso eher wird ein Meer daraus.

In den Augen meiner Familie sehe ich Zustimmung. „Ist okay“, sagen sie, „machen wir“.
Tolle Familie. Die beste.

Ein paar Flüchtlingsprojekte in und rund um Wien

(Auswahl, wird laufend ergänzt):

Train of Hope – Hauptbahnhof Wien

Akuthilfe Hietzing

Georg Danzer Haus

Integrationshaus Wien

Kurierhaus Wien (Facebook)

Newbornbaskets – Hilfe für Mütter und Kleinkinder

Projekte aus ganz Österreich findet ihr hier:

spendeninfo.at

humanitaet.org

ItsAllLove _ c sabine karrer

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Ein Gedanke zu „Spenden statt schenken: Weihnachten fällt heuer aus“

  1. Na klar machen wir das!!! Geteilte Freude ist doppelte Freude. Oder nach Albert Schweitzer: Das Glück kann man nur multiplizieren, indem man es teilt.

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