Tinder your Liebeskummer away

Männer mit Katzen. Männer, die sich mit nacktem Oberkörper am Strand räkeln. Männer, die auf der Ledercouch posen. Männer, die Fotos ihrer(?) Kinder posten. Männer, Arm in Arm mit dem besten Freund oder der besten Freundin (oder der Ex?). Männer mit unscharfen, viel zu dunklen Fotos, auf denen sie nicht einmal ansatzweise lachen. Stehen manche Frauen auf düstere, traurige Kerle? Männer, die sich mit dem Handy in der Hand vorm Spiegel fotografieren. Der eine mit Bierdose ist ja fast schon wieder cool. Und Sportfotos! Nahezu jeder scheint hier regelmäßig mit den Fallschirm aus Flugzeugen zu springen, den Mount Everest zu besteigen oder wenigstens Marathon zu laufen.

Tinder also.

„Da meld‘ ich mich sicher nicht an.“ (Ich seit dem Start der Dating-App.)
„Ach wurscht, ich meld‘ mich da jetzt an.“ (Ich gestern Abend.)

Es gibt natürlich andere Wege, über diese eine Sache hinwegzukommen, die man gerade beendet (hat?). Die Idee, dass es da draußen zumindest theoretisch noch andere Männer gibt, kommt mir aber gerade sehr heilsam vor. Angeblich macht Tinder außerdem Spaß. Spaß ist gut. Spaß lenkt ab.

Erste Hürde: Ich muss(!) mich mit meinem Facebook-Account anmelden.

Zweite Hürde: Mir fällt kein Benutzername ein.

Dritte Hürde: „Oje, muss man sich da mit Menschen unterhalten?“

Was mache ich hier eigentlich? Okay, ich kann aufs Kreuzerl klicken, dann ist der Mann raus. Ich kann aufs Herzerl klicken, dann bleibt der Mann im Spiel. Herzt er mich auch, können wir chatten. Aha.

Und was bitte bedeutet dieser Stern??! Mal kurz die Twitter-Community fragen. „Das ist ein Super-Like, da siehst du gleich, dass der andere dich toll findet, auch wenn du ihn nicht herzt“, wird mir erklärt. Aja. Und umgekehrt dann auch. Mir ist das ein bisschen peinlich, das lasse ich aus.

Der erste Vorschlag für mich: Ein Typ, den ich kenne. Woher woher woher? Es fällt mir nicht ein. Egal, der kann weg. Facebook sei dank, sehe ich, wer dort mit wem befreundet ist. Mit dem Ex? Der kann auch weg. Aha und das ist der Rassist, dem ich irgendwann entnervt die Facebook-Freundschaft gekündigt hab. Das checkt dieses Tinder natürlich wieder nicht. Kann weg.

Ich wische nach links und nach rechts. Einige fliegen raus, weil ich links mit rechts verwechsle. Oder umgekehrt. Ein bisschen süchtig macht dieses Tindern wirklich. Manchen scheine ich zu gefallen, also schreiben wir. „Hi, wie geht’s?“ So beginnen Gespräche mit Unbekannten wohl immer. „Ich bin die Neue, ich hab keine Ahnung, was man hier so macht“, antworte ich einem. Und später: „Ist es hier eigentlich üblich, sowas zu schreiben wie: ‚Ich geh dann mal schlafen, gute Nacht?'“

Die meisten Kerle, die ich weg wische, halten es nicht für notwendig, irgendetwas über sich in die Info zu schreiben. Mir ist sowas ja wichtig, reicht anderen Frauen einfach nur ein Foto? Pseudo-intellektuelle Zitate oder bei Ausbildung „die Schule des Lebens“ schreiben… Kommt, echt jetzt, das könnt ihr besser. In meinem Kopf entsteht ein neues Berufsbild: Tinder-Profile pimpen, gegen Honorar.

Ich bewerte jetzt also ernsthaft Menschen wie Produkte. Bei „Zureiter, 43“ ist das okay. Bei einigen, die ganz sympathisch ausschauen, aber optisch einfach nicht mein Typ sind (oder einfach nur die falschen Profilfotos gewählt haben?) tut mir das ein bisschen leid.

(Oh, der junge George Clooney ist auch dabei…)

Während einer Redaktionssitzung bekomme ich dann plötzlich Tinder-Nachrichten aufs Display. Wie peinlich vor den Kollegen. Wobei, vielleicht finde ich die auch bei Tinder wieder, anscheinend sind wir eh alle dort. Der Kerl, der gleich erkannt hat, dass mein Profilfoto in Jaipur aufgenommen wurde, weil er vor zwei Jahren selbst da war, und der außerdem genauso leidenschaftlich fotografiert wie ich, schreibt. Ich antworte ihm dann später.

An den (ex-)aktuellen Kerl in meinem Leben denke ich heute nur noch halb so oft wie gestern. Wenigstens dafür scheint Tinder schon mal tatsächlich zu taugen.

Nächste Hürde: „Oje, aber muss ich die Typen jetzt auch treffen?“

 

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2 Gedanken zu „Tinder your Liebeskummer away“

  1. Ein heißes Pflaster, auf welches du dich da begeben hast. Letzten Dienstag wurde auf FM4 am Abend über Tinder diskutiert, sogar eine eigene Sendung war es ihnen wert. Und so die Kernaussage war, wobei dies für alle anderen Plattformen zutrifft: Dort trifft man Menschen, die man sonst nie begegnet wäre. Muss sich ja nicht gleich treffen. 😉
    Aber ja, tinder your liebeskummer away. Go for it! 🙂

    1. Die Sendung hab ich leider verpasst, nur den Artikel dazu gelesen. Irgendwie schreiben momentan alle über Tinder, was mich wundert, weil’s das ja eigentlich schon recht lange gibt. Okay, ich hab auch darüber geschrieben, aber ich war vorher ja auch noch nicht drin. 😉

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