Mein Abend im Marchfelderhof hat mir förmlich den Atem geraubt. Allerdings ist es stellenweise eher Schnappatmung gewesen. Vermutlich muss man als Wienerin zumindest einmal im Leben in dem etwas gehobeneren Lokal in der „Spargelrepublik Marchfeld“ (so behauptet es zumindest ein Schild vor der Türe) gewesen sein. 100 things you should do in Vienna before you die. Oder so. Da waren es nur noch 99. Mein Vater hatte nämlich einen Gutschein…
Rot. Samt. Das sind die beiden Begriffe, die mir zum ersten Raum einfallen, den wir betreten. Ein interessanter Eindruck. Ich mag zwar Rot (und Samt), aber das ist sogar mir ein wenig zu viel. Eine freundliche Dame begleitet uns zu unserem Tisch. Kein roter Samt. Aufatmen. Allerdings hätte ich mir den Weg merken sollen, schießt es mir ein. Oder wenigstens Brotkrümeln streuen. Die Räume sind so gut verwinkelt, dass ich mich wundere, wie sich die Kellner ihre Tische merken können.
Schauen und Staunen
Wir kommen aus dem Schauen und Staunen nicht heraus. Unzählige Fotos von Menschen, die mir nur teilweise etwas sagen, Utensilien, alte Werkzeuge, Schilder, Kristallluster,… All das über hohe Wände verteilt. Meine Mutter stellt die berechtigte Frage, wer denn das hier alles putzt. Eine Antwort bekommen wir nicht, aber ich würde diese Reinigungskraft umgehend einstellen. Respekt.
Wir trinken Bier und Wein, bestellen unser Menü. Obwohl mein Hunger groß ist und das Essen wirklich gut schmeckt, leidet mein Appetit unter dem vielen Klimbim. Ich fühle mich ein wenig erdrückt. Trotzdem schaue und staune ich gleichzeitig weiter – es wäre auch unmöglich, das alles auszublenden.
Rauchen darf man im Wintergarten. Den Weg dorthin muss man allerdings tatsächlich erst einmal finden. Ich wage zu behaupten: Beim Dinner in the Dark ist es mir nur unerheblich schwerer gefallen, es von meinem Tisch zum Ausgang zu schaffen. Unsicher stolpere ich an den Tischen mit anderen Gästen vorbei, frage unterwegs einen Kellner nach dem Weg und bemerke: Ich habe die Brotkrümel auf meinem Platz vergessen. Der lange Gang, der vom Roten-Samt-Raum über den Wintergarten bis zu den Toiletten führt, hält überdies einige Stolpersteine parat: Touristen, die (wahrscheinlich ebenfalls nach dem Weg suchend) durch die Gegend taumeln oder – noch schlimmer – vor jedem Bild stehen bleiben, um es sich auch wirklich ganz genau anzuschauen. Es sind verdammt viele Bilder. Und verdammt viele Touristen.
Über Geschmack lässt sich nicht streiten
Es ist nicht so, dass ich den Marchfelderhof nicht weiter empfehlen würde. Ein interessanter Abend war es allemal. Mit – wie gesagt – gutem Essen und Trinken. Über Geld kann ich nicht reden (das haben sich glaube ich mein Vater und sein Gutschein geteilt). Aber ich habe wieder einmal festgestellt, dass mich zu viel Kitsch unfassbar wirr im Kopf macht. Ebenso wirr machen mich allzu sterile, puristische Räume, in denen ich speisen soll. Beim Ambiente darf es ruhig eine Mischung aus beidem sein.
Aber über Geschmack lässt sich bekanntlich streiten. (Oder doch?) Ich jedenfalls genieße am Ende des Abends die Heimfahrt in einem Auto, in dem sich als einziger Dekogegenstand ein Fußball-Fanartikel meines Vaters befindet.