Ein Schloss, sie zu knechten…

Über Liebesschlösser habe ich mich hier schon vor drei Jahren ausgelassen. Das macht aber nichts. Das Thema regt mich heute noch genauso auf wie damals. Wer zum verknallten Kuckuck nochmal ist jemals auf die Idee gekommen, ein Vorhängeschloss zum Liebessymbol zu machen? Ein Schloss steht nicht für Liebe, sondern für Besitz. Sorry to say. Möglicherweise darf man dem Italiener Federico Moccia die Schuld an der weltweit verbreiteten Altmetallsammlungen geben. Laut FAZ bringen in seinem Bestseller-Roman „Ich steh auf dich“ aus dem Jahr 2006 zwei Verliebte ein Vorhängeschloss an einer Laterne auf einer Brücke in Rom an und versenken den Schlüssel im Tiber. „Gut zweitausend Jahre war die antike Milvische Brücke komplett vorhängeschlossfrei – doch schon kurz nach Erscheinen des Romans erlag die erste Brückenlaterne der Last der Liebeshinterlassenschaften und knickte um“, schreibt der FAZ-Autor Oliver Maria Schmitt in seinem Artikel über das Liebesschlösser-Drama.

liebesschloss-5706Drama ist wirklich die passende Bezeichnung dafür, finde ich. Immer mehr Verliebte brachten und bringen ihre Liebesschlösser an irgendwelchen Gittern auf der ganzen Welt an. Bevorzugt an Brückengeländern, aber im Grunde fast überall, wo das möglich ist. Ob historische oder gar private Bauten, wurscht. Ich fotografiere diese Schlösser dennoch gerne, es sind gute Motive. Und haltet mich nicht für durch und durch unromantisch, aber wäre das Symbol für die Liebe ein Schloss und kein Herz, ich bliebe für immer und ewig Single. Ich bin ja auch Realistin genug, um zu sagen: Heiraten würde ich nie, bestünde nicht die Möglichkeit einer Scheidung. Also halt als Option, man weiß ja nie.

Eine Viertelmillion(!) Liebesschlösser hängt inzwischen an der Hohenzollerbrücke in Köln, schreibt der Autor. Wenn sich da nicht irgendetwas ändert, wird die Brücke in zehn Jahren wohl kippen, so Schmitt weiter. Das liegt daran, dass alle ihre Schlösser an der Südseite befestigen. Vermutlich ist es aber fast egal, ob die Brücke unter der Last zusammenbricht oder ob sie einfach auf eine Seite umkippt. Gut, dazu wird es schon nicht kommen, darauf wird die Deutsche Bahn oder wem auch immer diese Brücke gehört, wohl ein Auge haben. Hoffe ich.

Schlösser knacken

Diverse Maßnahmen, Liebesschlösser loszuwerden, gibt es durchaus. Manche legal, manche nicht. Manche scheitern, manche sind erfolgreich. Ein Typ, der in Köln anscheinend Schlösser von der Brücke abbrach, um sie als Altmetall zu Geld zu machen, wurde anscheinend zu drei Monaten Haft verurteilt. Okay, nicht die feine Art, trotzdem… In Paris ließ die Stadtverwaltung inzwischen rund eine Million Liebesschlösser von der Seinebrücke entfernen, nachdem ein Geländer eingestürzt war. Das ist sehr, sehr viel Metall. Vermutlich zerbrachen seither auch viele durch Schlösser besiegelte Beziehungen, aber das lag wohl eher an ganz anderen, alltäglichen Dingen. Vielleicht manchmal sogar daran, dass einer den anderen tatsächlich als Besitz betrachtete. Nur so eine Überlegung. In Frankfurt hat eine Künstlergruppe den Schlössern ebenfalls den Kampf angesagt. Sie fordert die Menschen auf, Liebesschlösser von einer Brücke zu entfernen, und will für jedes entfernte Schloss sogar einen Euro bezahlen. Die Vorhängeschlösser sollen anschließend eingeschmolzen werden und als Kunstwerk wiederauferstehen.

liebesschloss-7066Ganz offiziell haben auch die Betreiber der Seite nolovelocks.com den Liebesschlössern den Kampf angesagt. Uns verbindet nicht nur die gemeinsame Aversion gegen das Symbol des Besitzes, diese engagierten Aktivisten verwenden auch haargenau das selbe WordPress-Theme wie ich. Sehr sympathisch, Leute! Lasst uns gemeinsam einen Online-Shop für Bolzenschneider eröffnen, das könnte uns reich machen. Das Geschäft mit den Liebesschlössern scheint ja auch zu florieren.

You fucking romantics…

Und dann ist mir heute beim Spazierengehen im Stadtpark noch dieser anonyme Kommentator des Liebesschlösser-Wahnsinns untergekommen. Ich danke dieser Person von Herzen. 🙂

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4 Gedanken zu „Ein Schloss, sie zu knechten…“

  1. Liebe Sabine,

    die Schlösser haben es dir wohl angetan 🙂

    Ich vermute, dass nicht der Aspekt des Besitzes die Motivation für das Schlösserhängen ist. Vielleicht ist es der Wunsch nach etwas, das nicht kaputtbar/ewigwährend (weil Metall) und unumkehrbar (Schlüssel weg) sein soll. Eine harte Konstante quasi. Es ist ein ausgedrückter Wunsch nach Sicherheit. Wer sich sicher ist, hängt sowas eh nicht auf 🙂

    Vermutlich werden auch deshalb Herzen in Rinden geritzt und nicht weil die verletzte Außenhaut des Baumes die Verletzlichkeit der Liebe symbolisieren soll. Liebestolle sind nicht zurechnungsfähig. Hab Erbamen mit ihnen 🙂

    1. Lieber Gottfried,
      ja, ich hab anscheinend wirklich ein psychologisches Problem mit diesen Schlössern. Klar, liegt vermutlich an mir, und ich will ja niemandem den Spaß daran verderben. Es ist halt einfach dieses Liebe=Schloss-Ding, das mich schnappatmen lässt. 😉 Ein Herz in einem Baum dagegen, hm… Ja, das ginge. Das ist nicht eingesperrt, darf frei atmen, eigentlich ein schönes Bild. 🙂

  2. was spricht dagegen ? wenn es der beiderseitige wunsch eines verliebten paares ist ? Romantik und verliebtheit ist doch was wunderschönes in dieser schlimmen welt ! vermutlich sind die gegner dieser liebesschlösser alle frustriert……

    1. Klar ist es was Schönes und ich spreche ja niemandem ab, das zu machen. Ist nur meine Meinung zum Schloss als Symbol, das ich halt nicht soooo super finde. Würde mich jetzt aber nicht unbedingt als frustriert bezeichnen. 😉

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