Eine Schiffsreise in Zeiten von Corona, Teil 7: KIRKENES

In Teil 7 erreichten wir Kirkenes, den nördlichsten Punkt unserer Reise. Und wir erfuhren, wie es nun weitergehen würde. Denn eines war klar: Zurück nach Bergen würden wir es nicht mehr schaffen.

Während daheim in Österreich die Supermärkte geplündert wurden, saßen wir nach dem Abendessen in einem der Vortragsräume und lauschten den neuesten Plänen der Hurtigruten. Es sah so aus: Wer jetzt die Reise abbrechen wolle, könne das tun und die Reise zu einem späteren Zeitpunkt kostenlos wiederholen. Wer die Reise dennoch bis zurück nach Bergen mitmachen wolle, könne auch diese Option wählen. Wir entschieden uns natürlich für Variante 1: Abbruch und von Tromsø zurück nach Hause.

Wir deponierten das bei der Reiseleitung (wobei ich erneut die österreichische Reisewarnung ins Spiel brachte) und verbrachten den Abend mit Twitter, Facebook und Bier. Der eine wohltuende Ruhe verbreitende Barmann war inzwischen mein bester Freund an Bord und die elf Euro pro Bier waren zur notwendige Investition geworden.

Nordlichter, nochmal

Und wir sahen erneut Nordlichter. Auch wenn diese auf Grund des Schneefalls diesmal ein bisschen schwieriger zu fotografieren waren.

So schaut’s übrigens aus, wenn sich zwei Schiffe auf See begegnen. Ist das nicht romantisch? 😉

Auf gepackten Koffern

Am 14. März, eigentlich ja erst dem dritten echten Tag unserer Kreuzfahrt, hatten wir bereits die Koffer gepackt und harrten der Dinge. Die meiste Zeit verbrachten wir draußen am Deck oder auf diesen chilligen Drehsesseln mit Panoramablick.

Und jetzt wird’s Zeit für Danksagungen an alle, die mich zu diesem Zeitpunkt beruhigten. Ich fand zwar alles noch einigermaßen abenteuerlich und spannend, aber das diente wohl mehr der Selbstberuhigung. Ich schrieb mit Freund R., der gerade dabei war, seine eigene Norwegenreise nur wenige paar Tage später zu stornieren und auch einfach wahnsinnig viel über das ganze Flugwesen weiß. Freundin R. fragte zart an: „Telefonieren?“ (Lustigerweise telefonieren wir nie, sondern schreiben oder sehen uns. Das Telefonat war gut.) K. und R., die zu diesem Zeitpunkt gerade in NRW lebten, boten uns sogar ein Notquartier an, sollten wir es nicht mehr über Deutschland hinaus schaffen. Auch bei der Familie zu Hause war alles gut, wenigstens das.

Kirkenes aus der Distanz

Kirkenes sahen wir nur von oben, raus durften wir ja nicht. Dass ich so rasch noch einmal hier landen würde, erschien mir zu diesem Zeitpunkt als weder realistisch noch erstrebenswert. Nach einem Gespräch mit dem Expeditionsleiter an Bord verstand ich dann auch: Hier im Hohen Norden, gerade in diesem wenig dicht besiedelten Teil Norwegens, hatten die Kommunen besonders viel Angst vor einer Corona-Ausbreitung. Klar, wenn das nächste Krankenhaus teils viele Stunden entfernt ist. Wir verstanden.

Während zu Hause in Österreich in der Zeit im Bild eine 14-tägige Quarantäne für alle Menschen, die seit dem 28. Februar in Ischgl und anderen Tiroler Skiorten gewesen waren, verkündet wurde, warteten wir mit Bier und gepackten Koffern auf weitere Infos.

Ich war zwar genau dort, wo ich mich schon seit vielen Jahren regelmäßig hingeträumt hatte, aber genau jetzt wollte ich hier einfach nicht mehr sein.

Zurück nach Tromsø

Durchsage an Bord: Die Hurtigruten schaffen es im Hintergrund leider nicht, für alle Passagiere, die die Reise abbrechen wollen, Flüge von Tromsø aus zu organisieren. Deswegen rate man uns, die Flüge jetzt auf der Stelle selbst zu buchen. Über ein Online-Buchungsportal fand ich noch Flüge über Oslo nach Wien für den nächsten Tag und buchte. Dazwischen wieder zig Nachrichten an R., der mir riet, schnell zu sein, weil es mit Flügen in Kürze wohl nicht mehr allzu gut ausschauen könnte, und der mir ausgerechnet von der eben gebuchten Airline abriet, aber was sollten wir tun. Augen zu und durch (und Bier dazu). Dazwischen immer wieder der Ohrwurm: „Wir lagen vor Madagaskar…“ Daran, was passieren würde, gäbe es einen Corona-Fall an Bord, wollten wir alle nicht denken.

Ich fragte, ob es in Tromsø Busse zum Flughafen geben werde, denn eine meiner größten Sorge war, dass wir außerhalb des Schiffes dann ganz auf uns alleine gestellt wären. (Kein ganz unberechtigter Gedanke übrigens, wie ich später von Reisenden aus anderen Ländern erfahren sollte.) Busse würde es vermutlich nicht geben, aber Taxis stünden dort, meinte man. Nein, meinte ich dann doch etwas grantig, einfach nein.

Dazwischen erneut ein Gespräch mit dem Expeditionsleiter, der immer noch verzweifelt versuchte, irgendwo wenigstens eine Hotellobby für uns zu finden, in der wir die Zeit bis zur Fahrt zum Flughafen überbrücken könnten. Es fühlte sich so an: Die draußen und wir drinnen – und irgendwie wollte uns niemand mehr so richtig haben.

Einfach nicht vergessen werden

Mit der Botschaft in Oslo war ich schon länger in Kontakt gewesen. Ich wollte einfach nicht vergessen werden. Nach der Reisewarnung des Außenministeriums war es einfach mir sinnvoll erschienen, unsere Namen wenigstens auf einer Liste vermerkt zu wissen.

Nach einem neuerlichen Telefonat mit Oslo („Sammelflüge wird es vermutlich nicht geben, dafür sind wohl zu wenige ÖsterreicherInnen hier…“) war ich allerdings auch verunsichert genug, um noch Freitagabends doch noch die Nummer des Reisebüros in Wien zu wählen – am Wochenende würden wir genau gar nichts mehr erfahren, dachte ich. Ein angesichts meiner Aufregung etwas irritierter junger Mann versprach mir, er würde versuchen, dass mich jemand zurückruft. „Ja ja, klar“, dachte ich noch, als sich kurz darauf tatsächlich die Prokuristin bei mir meldete. Sie beruhigte mich und meinte, ich solle mich bitte jederzeit bei ihr melden, sollte etwas mit der Rückreise nicht klappen. Mit ihrer Handynummer im Telefonbuch konnte ich dann wenigstens beruhigt schlafen.


Eine Schiffsreise in Zeiten von Corona in zehn Kapiteln:


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