Hallenbad Diaries: Bahnen schwimmen im Donaustädter Hallenbad

Da stehen wir nun, die R. und ich. An einem Montagabend vor diesem viereckigen Gebäude, von dem jede einzelne Kunststoffplatte schreit: Es leben die 80er-Jahre! „Donaustädter Hallenbad“, verrät der Schriftzug oberhalb der beidseitig begehbaren Treppe. Hier sind wir also richtig. Sogar der Mistkübel vor dem Bad stammt noch aus einer anderen Zeit: dunkelorange, ohne „Bau keinen Mist“-Aufschrift und sogar ohne „Host a Tschick“-aufgesetzten Aschenbecher.

Obwohl ich versuche, Klischees nicht mehr als notwendig zu strapazieren, wird uns auch sehr schnell klar, dass wir im städtischen Bad gelandet sind. Zielstrebig stürzen wir auf die Dame hinter der Rezeption zu und ich sage selbstbewusst: „Zwei Mal bitte!“ Ohne eine Miene zu verziehen antwortet die Hallenbad-Angestellte: „Erst zur Kollegin, Tickets kaufen, dann wieder zu mir.“ Sie ist unüberhörbar nur für die Schlüssel zuständig. Während R. noch scheinbar verwirrt versucht, das Gesagte einzuordnen, spaziere ich um die Ecke, wo sich die Kollegin, die gerade noch neben der vermeintlichen Rezeption stand, nun hinter einem unauffälligen Schalter mit Sprechfenster verschanzt hat. „Bitte zwei Tickets“, wiederhole ich. Wir nehmen die Karten, legen sie der Dame von vorher auf die Budl, bekommen unsere Kästchenschlüssel ausgehändigt und betreten endlich die heiligen Hallen der Portergasse. Kindheitserinnerungen werden wach, ich war hier früher des öfteren, aber das ist wirklich lange her. Nicht nur mein Schlüsselarmband sieht genauso aus wie damals. Blassblau und ausgewaschen. Das Waschbecken in der Ecke begeistert mich, im Gymnasium hatten wir auch so eines. Die aufkommenden Bilder von schimmelnden Tafelschwämmen verdränge ich gleich wieder. Ebenso wie die Tatsache, dass diese Fön-Apparate an der Wand nur theoretisch praktisch sind und in Wirklichkeit nach 20 Sekunden wieder ausgehen, weil ich die richtige Technik nie gelernt habe. Aber das werde ich erst später bemerken. Im Kasterl ist sogar ein Schuhhalter integriert! Wie geil ist das denn?

Blaue Flecken und neue Freunde

Es gibt ein kleineres Becken zum Planschen und ein größeres Becken zum Bahnenschwimmen (und ein Warmwasserbecken im hinteren Bereich, aber das wirkt auf mich eher gruselig, weil abgeschirmt). Zweiteres ist ziemlich gut ausgelastet für einen Montagabend. Denke ich. Aber je weiter die Zeit fortschreitet, desto stärker habe ich den Eindruck, dass die Bahnenschwimmer erst abends auftauchen, denn es werden mehr und mehr. Wir nehmen eine (ungewollt) kalt-warm-kalte Dusche unter dem Vorhang aus Plastik-Efeu und stürzen uns in die Fluten. Spontan erfinde ich die Sportart „Slalomschwimmen“. Wenigstens tragen die meisten Schnellschwimmer auffällige Badehauben, ansonsten fände ich es viel schwieriger, ihnen rechtzeitig auszuweichen. Sie sind wirklich flink. Der eine flitzt links vorbei, der andere rechts, dem Dritten kann ich gerade noch ausweichen, er tut es nämlich nicht. Ein paar blaue Flecken werde ich vermutlich davon tragen und die Typen ziemlich sicher genauso, denke ich jedes Mal, wenn es knallt. Am Beckenrand läuft der Bademeister auf und ab, das beruhigt mich. Er wiederum beruhigt einen jungen Schwimmer und eine ältere Dame, die sich über den Kerl am Beckenrand, der wirres Zeug redet, wundern. Und uns, weil wir auch schon etwas verunsichert waren und das Gespräch nun mit anhören. Der Bademeister scheint ihn zu kennen, also verpassen wir ihm den Stempel „harmlos“. Tatsächlich finde ich die Schnellschwimmer viel bedrohlicher. Ich gerate zwischenzeitlich sogar ins Straucheln, als einer gar unter mir hindurch taucht. Ich war mal wieder jemandem im Weg. Sorry. Dabei kämpfe ich R. und mich schön durch den Pool, denn immer wieder gebe ich die Richtung vor und sie schwimmt hinter mir nach. Aber ehrlich: Ich habe den Dreh inzwischen raus. Es gilt einfach zu vermeiden, sich im Windschatten eines sehr langsamen Menschen zu bewegen und den Flitzern nicht ausweichen zu können. Das verlangt nach einem perfekten Timing und nach einer Stunde habe ich das voll drauf. Beobachten und nachmachen, so einfach.

Nach eineinhalb Stunden entschuldigt sich sogar noch jemand bei mir für ein leichtes Foul. Der Herr ist mit seiner Frau oder Freundin hier und siehe da, plötzlich unterhalten wir uns zu viert im Wasser. Wir scheinen neue Freunde gefunden zu haben. Trotzdem schwimmen wir irgendwann weiter, als keine Einladung an die Bar kommt, und zack, ein anderer Herr versetzt R. unter Wasser einen Haken. „Entschuldigung, das tut mir so leid!“, reagiert er sofort und wird unter seinem Bart vor Verlegenheit ganz rot. „Hat gesessen, aber passt schon“, lacht R. Offenbar verdient man sich im Donaustädter Hallenbad Respekt, sobald man es einmal eineinhalb Stunden ausgehalten hat. Muss irgendwie so sein.

Badeschluss!

Aber auch Wasserratten haben irgendwann genug und als wir wieder in der Umkleidekabine stehen, erlebe ich sogar noch meinen persönlichen Alfred-Dorfer-Moment. Lautsprecher, Männerstimme: „Sehr geehrte Damen und Herren, es ist 21 Uhr. Badeschluss. Ich wiederhole: Badeschluss!“

Als wir fertig umgezogen vor dem Bad stehen und ich noch eine Zigarette rauche, kommen unsere neuen Freunde vorbei: „Das Hallenbad hier ist wirklich das beste, wenn man noch später am Abend schwimmen will.“ Wir werden trotzdem noch eine paar andere testen, aber, teasere ich lachend an: „Ich denke, wir sehen uns wieder.“ Sie lachen ebenfalls. „Tschüß, dann bis bald“, sagen sie. „Tschüß“, ruft uns auch einer zu, den ich als einen der jungen Schnellschwimmer wiederzuerkennen glaube. R. und ich grinsen. Ja, wir kommen definitiv wieder.

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