Ein „Date zu Dritt“ im Dunkeln ist doch im Grunde ein Blind Date. Wenn man einen seiner beiden Begleiter vorher noch nie gesehen hat, ist es dann ein „Blind blind Date“? Jedenfalls, ob Date oder nicht, beim Dinner in the Dark kommen die Gäste einander ohnehin rascher näher, als dem einen oder anderen vielleicht lieb ist.
Zu unserem Tisch in dem völlig abgedunkelten Raum geleiten uns zwei Kellner, die den ganzen Abend für uns zuständig sein werden. Wir tasten uns an der Wand entlang, eine Hand landet auf der Schulter von M., meinem „Blind blind Date“, die andere reiche ich der Dame hinter mir, die ich bis dahin noch nicht einmal gesehen habe. Wie gesagt: Man kommt einander rasch näher. Ohnehin entschuldigt sich laufend jemand beim anderen, weil ganz unbeholfen irgendwo hin gefasst wurde, wo nicht hingefasst werden sollte bzw. wollte. „Also mit einem notorischen Grapscher möchte ich hier nicht essen“, sage ich zu Freund W. War ja klar, dass er mir als Antwort prompt das Knie tätschelt. Und dafür einen Stoß in die Rippen kassiert.
Reden statt sehen
Wir haben viel Spaß. So viel, dass wir teilweise das Gefühl haben, die anderen Gäste zu unterhalten. Besonders M. und ich scheinen die Stille vor Augen mit übertriebenem Überwinden der akustischen Stille kompensieren zu wollen. W. treibt lieber Schabernack und klaut uns in der Zwischenzeit das Besteck. Macht nichts. Später werden wir noch zugeben, dass wir sowieso mehr mit den Fingern als mit Messer und Gabel gegessen haben. Die Geschmacksnerven haben so oder so viel zu tun. „Das ist sicher Rind“, sind wir beim Hauptgang überzeugt. Später erfahren wir: Es war Schwein. Nicht weiter tragisch, es schmeckt hervorragend. Schlimmer finde ich es, dass ich beim Dessert mit der Gabel etwas aufspieße, das sich nach längerem Kauen, Stirnrunzeln und fragenden Blicken, die niemand sehen kann, nicht als Süßigkeit, sondern als liegengebliebenes Stück des Erdäpfelsalats entpuppt.
Entgegen böser Behauptungen, ich hätte den Großteil des Weins (Weißwein, wegen der Flecken, ihr versteht…) alleine ausgetrunken, muss ich übrigens vehement widersprechen. Richtig ist allerdings, dass es ein wenig ekelhaft ist, an Stelle des vermeintlichen Wasserglases einen kräftigen Schluck eben aus dem Weinglas zu nehmen. Egal, die Stimmung passt. Und Getränke sind all-inklusive.
Harry & Sally spielen
Was im Dunkeln Speisende übrigens besser nicht machen sollten: Sich vom Tischherrn den Nacken massieren zu lassen und dabei „Oh, ist das gut“ zu stöhnen (Harry & Sally Syndrom). Könnte den anderen Tischherrn ebenso wie die Mitspeisenden irritieren. Wenn die Frage lautet, ob alle das System verstanden haben, niemals laut „Nein!“ rufen. Sie kennen deine Stimme, sie wissen, wo du sitzt. Außer natürlich, du möchtest für Erheiterung sorgen. Wenn alle davon ausgehen, dass du den Wein gesoffen anstatt genossen hast, ist das eigentlich auch schon egal. 😉
Erstaunlich fand ich übrigens, dass mir die meisten Gäste im Dunkeln wesentlich sympathischer waren als später im Hellen. Dunkelheit bzw. der damit einhergehende Kontrollverlust scheinen zu verbinden. Und apropos: Manchmal kann es richtig gut tun, die Kontrolle zu verlieren… Auch wenn ich anschließend froh war, wieder sehen zu können.
😀 Danke für diesen amüsanten Bericht.
😉