Es ist momentan ein bisschen unheimlich. Mir gehen tausend Sachen durch den Kopf und Menschen in meinem Umfeld sprechen sie plötzlich an. Also nicht alle tausend, aber ein paar davon. Das hat zuletzt in vielen spannenden Gesprächen über das Leben und die Liebe gemündet. Und dann habe ich auch noch diesen Artikel „Wie man den richtigen Partner fürs Leben findet“ gefunden, der manches davon nur zu gut auf den Punkt bringt. Er ist zuerst auf waitbutwhy.com erschienen und nun übersetzt auf welt.de veröffentlicht worden. Lasst euch vom welt.de-Titel nicht abschrecken beziehungsweise erwartet auch nicht zu viel, denn wie man den richtigen Partner fürs Leben findet, weiß ich genauso wenig wie vermutlich der Autor. Zumindest zweifle ich stark daran, dass irgendjemand das sagen kann. Trotzdem frage ich mich wie viele Menschen: Wonach suchen wir unsere Partner aus? Warum führen die einen langjährige glückliche Beziehungen und die anderen nicht? Und was soll das alles eigentlich?
Tim Urban, der den Artikel verfasst hat, beginnt erst einmal mit einer guten Nachricht für (unfreiwillige) Singles: Euch geht es im Grunde gar nicht so schlecht. Denn nicht ihr steht auf der „miserabel bis super“-Skala ganz unten, sondern die unglücklichen Paare. Das mag für manche ein Trost sein. Glückliche Singles werden sich die Frage aber kaum stellen und solchen, die nicht freiwillig „alleine“ sind, wird die Gewissheit, dass es anderen schlechter geht, eher nicht helfen. Sie werden sich vielmehr fragen, was die anderen richtig und sie selbst nicht richtig machen. Aber das ist schon mal der ganz falsche Ansatz. Ich würde eher dafür plädieren, sich selbst nicht unter Druck zu setzen, und irgendwie lese ich das aus Urbans Artikel auch heraus. Schon klar, dass man das nicht verallgemeinern kann, aber in meinem Fall glaube ich – mit Abstand betrachtet –, dass ich immer ein bisschen zu sehr eine Beziehung wollte. Das hatten alle rundherum ja auch. Und glücklich waren die, bist du deppert. Gleichzeitig hat mir die Vorstellung aber immer auch Angst gemacht. Man könnte wieder verletzt werden oder wieder in etwas festhängen, das man gar nicht mehr will. Das Resultat: Schneckenhaus. Hin und wieder abgelöst von Turboraketen. Von null auf 100 und ganz schnell wieder von 100 auf null, oft in nur wenigen Wochen. Die falschen Männer, immer. Sich wissentlich in etwas hinein stürzen, das einem nicht gut tun wird. Freud hätte mich sicher gewarnt, aber Freud war nicht da und auf Dauer ist es einfach nicht so kuschelig im Schneckenhaus. Glücklicherweise ist das Leben ein Lernprozess und irgendwann wiederholt man im besten Fall nicht mehr, was einem schon in der Vergangenheit nicht gut getan hat. Irgendwie muss es einen Mittelweg zwischen Schneckenhaus und Turborakete geben. Und ein paar von Urbans Ansätzen finde ich dazu gar nicht so schlecht.
Wir haben die Wahl. Zu viel Wahl?
„Im Gegensatz zum Tod und dem Universum haben wir auf die Wahl unseres Partners Einfluss – wir allein bestimmen darüber“, schreibt Urban vollkommen richtig. Genau das macht es aber gerade für meine Generation, die 35 plus, nicht unbedingt einfacher, finde ich. Ich habe noch die Stimme meiner Oma im Ohr, die einmal meinte: „Irgendwie beneide ich euch ein bisschen, ich hatte damals nur die Wahl, zu heiraten, um von zu Hause wegzukommen.“ Ich sehe, wie viele Kompromisse diese und zum Teil auch meine Eltern-Generation schließen mussten und müssen, damit die Ehe dauerhaft bestehen konnte und kann. Und bekomme Schnappatmung, wenn ich daran denke. Sicher, wir sind heute unabhängiger, wir brauchen nicht unbedingt einen Partner. Die Auswahl ist wesentlich größer geworden. Die Orientierungslosigkeit aber auch, glaube ich. Wir lernen Menschen kennen, wir gehen aus und flirten, wir melden uns bei Plattformen wie Tinder, Parship und was weiß ich an. Wir daten einander und vielleicht wird mehr daraus, oft aber eben nicht. Vielleicht ist es dann unsere eigene Angst vor etwas Ernsthaftem, vielleicht die Idee, dass es da jemanden geben muss, der besser zu uns passt, Angst, sich zu binden, Angst, etwas an seinem Leben ändern zu müssen, in dem wir es uns doch so schön eingerichtet haben, Angst vor Kompromissen. Je älter wir werden, umso besser wissen wir, was wir nicht mehr wollen. Umso schwieriger wird dieses ganze Beziehungsding. Das berühmte „Packerl“, das die meisten mit sich herum schleppen.
„Wenn man sich einen Lebenspartner aussucht, sucht man sich gleichzeitig noch vieles andere aus – zum Beispiel seinen Partner für die Kindererziehung und den Menschen, der die Entwicklung der eigenen Kinder mitbeeinflusst. Außerdem wählt man sich Gesellschaft für etwa 20.000 Mahlzeiten, Begleitung für rund 100 Urlaube, seinen Nummer-1-Freund für Freizeit und Rente, den persönlichen Karriereberater – und jemanden, der etwa 18.000 Mal erzählen wird, wie sein Tag war.“
Das schreibt Urban und fragt zugleich: „Wenn man weiß, dass diese Entscheidung mit Abstand die wichtigste ist – wie kann es dann sein, dass so viele kluge, sonst logisch denkende Menschen bei einem Partner landen, der sie unzufrieden macht?“ Er erklärt sich das unter anderem damit, dass es vielen Singles wohl schwer fällt (er beruft sich dabei auf Studien, die ich nicht näher kenne), ihre Beziehungsvorlieben vorherzusagen. Für mich kann ich das bestätigen. Woher soll man wissen, was für einen passt, wenn man gar keine Chance hatte, das eine oder andere auszuprobieren? Dass sich Vorlieben im Laufe der Zeit ändern, klingt für mich ebenfalls schlüssig.
Eine gewisse Schuld daran, dass viele von uns so orientierungslos herumlaufen, gibt Urban der Gesellschaft. Ich bezweifle zwar, dass wir einen Beziehungs-Businessplan aufstellen sollten, aber natürlich: Romantik alleine reicht nicht, ein bisschen rationaler darf es schon sein. Ob es gesellschaftlich akzeptiert ist oder nicht, auf Online-Datingplattformen nach potenziellen Partnern zu suchen, kann ich so nicht sagen. In meiner Welt ist es inzwischen nicht mehr das große Thema, ich denke, dass sich da spätestens mit Tinder einiges verändert hat. Dass es die Gesellschaft nach wie vor einigermaßen schlecht akzeptiert, dass jemand mit 35 oder 40 noch unverheiratet ist, kann ich aber bestätigen. „Ein 37-jähriger Mensch, der unglücklich verheiratet ist und zwei Kinder hat, eher von der Gesellschaft akzeptiert als ein 37-jähriger Single.“ Stimmt leider. Baut Druck auf. Nicht gut.
Dann wäre da noch die Sache mit den Naturwissenschaften: „Sobald wir bei einem potentiellen Partner auch nur den kleinsten Funken einer Anziehung spüren, startet unser Körper den ‚Okay, wir ziehen das durch‘-Modus. Er bombardiert uns also mit Chemikalien, die dazu gemacht sind, uns zu paaren (Lust), zu verlieben (die Flitterwochen-Phase) und schließlich: uns langfristig zu binden (Beziehung)“, schreibt Urban weiter. Damit kann man wohl leben, ist ja im Endeffekt auch wurscht, warum wir den anderen anziehend finden. Aber die Vorstellung, dass wir uns nur durch chemische Prozesse leiten lassen, ist das nicht auch irgendwie gruselig. Oder bin ich in dem Punkt zu unromantisch? Einerseits will und soll man das ja genießen, andererseits nimmt man irgendwann die rosarote Brille ab und dann reicht das alles auch nicht mehr.
Die berühmte „biologische Uhr“… Vielleicht wäre ich längst Mutter, hätte ich irgendwann einen Partner gefunden, mit dem ich es mir eine Familiengründung hätte vorstellen können. Die „Wenn ich bis 40 immer noch niemanden kennengelernt habe, mit dem ich ein Kind haben will und kann“-Panik ist bei mir heute glücklicherweise nicht mehr präsent. Aber auch an diese Zeit erinnere ich mich noch gut. Ich liebe meinen kleinen Neffen über alles, ich mag die Kinder meiner Freunde. Doch zumindest im Moment reicht mir das. Ausschließen kann man im Leben natürlich wenig, aber so ist es jetzt eben. Ich sehe, was man für ein Kind alles aufgeben muss, dazu bin ich nicht bereit. Am Abend nicht mehr spontan auf ein Bier gehen können? Nicht kurz mal übers Wochenende wegfahren können? Keine zweiwöchige Reise nach Indien oder Kambodscha buchen können? Das ein Teil der Gesellschaft das nicht nachvollziehen kann, es sogar egoistisch findet, ist mir klar. Ist halt so.
Ein bisschen mehr Lockerheit, keine so schlechte Idee
Einen Punkt gibt es noch, der im Artikel nicht angesprochen wird. Über den denke ich seit einiger Zeit nach und auch der beschäftigt anscheinend nicht nur mich: Muss man alles immer sofort genau definieren? Wann entscheidet sich, ob mit jemandem zusammen ist? Nach dem ersten Kuss? Nach dem ersten Sex? Wenn einer den Status auf Facebook ändert? Und ist man deswegen dann wirklich ein Paar oder geht es erst einmal darum, die Beziehung nach Außen zu definieren? Reicht es nicht, zumindest für eine Zeitlang, dass man einander gern hat und sich miteinander wohl fühlt? Nachdem mir die Beziehungserfahrung weitgehend fehlt: Ich kann mich zum Beispiel nicht mehr erinnern, wann meine besten Freunde plötzlich meine besten Freunde waren. Das hat sich entwickelt, manchmal über Jahre hinweg. Und irgendwann habe ich gemerkt, dass diese Menschen fester Bestandteil meines Lebens geworden sind. Dass ich denen alles anvertrauen kann, nämlich wirklich alles. Dass ich mich wohl fühle, wenn sie da sind. Es war einfach so.
Wie auch immer man über das alles denken mag, und auch ich behalte mich vor, manches in ein paar Jahren vielleicht anders zu sehen: Den Druck nimmt es immer heraus, wenn man es ein bisschen lockerer angeht. Eine Garantie, dass mehr daraus wird und vor allem auch mehr bleibt, gibt es sowieso nie. Zumindest versuchen kann man es ja mal. Schneckenhaus und Turborakete waren es jedenfalls nicht, die mich in der Vergangenheit glücklich gemacht haben.
Superbericht, den ich mit Interesse gelesen habe. Vor dem „Liebe ist eigentlich nur Chemie“ sollte man keine „Angst“ haben. Das ist keinesfalls eine Abwertung dieses wunderschönen Zustandes. Da gibt es einen schönen Spruch des von mir geschätzten R. Dawkins (sinngemäß): Warum muss man, wenn man bei Sonnenaufgang mit wolkenlos blauem Himmel über eine wunderschöne Wiese mit herrlich riechenden Blumen, summenden Bienen, tanzenden Schmetterlingen und zwitschernden Vögeln wandert, auch noch an Hexen, Zauberer und Götter glauben, um sich erfreuen zu können?