Achterbahn der schrägen Dinge

Ich bin einfach glücklich… Oops, hab ich das gesagt?“ Meine Bekannte schaut mich verwundert an. „Naja, es ist nicht so, dass ich nie glücklich wäre, aber der Satz ist mir schon lange nicht mehr über die Lippen gekommen“, lache ich. Im Moment fühle ich mich tatsächlich so, als hätte ich in einer Achterbahn Platz genommen, würde die Arme ausstrecken und jeden Luftzug, jedes einzelne Looping genießen. Als könnte ich die Aufs und Abs, die das Leben bietet, endlich als einen Teil von mir akzeptieren. Sicherlich ist an dem fetten Grinser, den ich jetzt ständig im Gesicht trage, auch die Tatsache schuld, dass ich in eineinhalb Wochen im Flieger nach Hanoi sitzen werde. Reisefieber. Unbändige Vorfreude. Erinnerungen an meine Indien-Reise vom letzten Jahr werden wach. Die gigantischen Bauwerke. Die Unmengen an Menschen, zwischen denen ich mich so lebendig gefühlt habe. Die langen, entspannten Busfahrten mit der an uns vorbeiziehenden Landschaft. Neue Menschen, die teilweise zu Freunden geworden sind. Viele kleine Abenteuer. Das Leben war plötzlich so leicht und an dieses Gefühl erinnere ich mich wieder, während ich diese Zeilen schreibe. Der Alltagswahnsinn hatte mich das zwischendurch ein wenig vergessen lassen.

Diese Leichtigkeit ist nun wieder zurück und mein Leben ist so wunderbar schräg, dass ich ständig vor Freude aufjauchzen möchte. Es sind nicht die großen Dinge. Es sind die vielen kleinen Begegnungen und Ereignisse. Manchmal ist es sogar nur die Melange, die ich in einem total skurrilen Lokal trinke, weil ich noch Zeit bis zum nächsten Termin habe. Es ist ein Lächeln, dass ich einem Fremden schenke und zurückbekomme. Es ist dieses Selfie mit Alexander van der Bellen, um das ich andere schon beneidet habe und das ich jetzt endlich selbst machen konnte. Einfach, weil er und ich zufällig im gleichen Lokal gesessen sind. Es ist mein „Ich erzähle euch jetzt mal, wie das wirklich ist mit den Flüchtlingen und den angeblichen Gratis-Monatskarten“-Blogpost, der inzwischen so oft gelesen wurde, dass es mich geradezu sprachlos macht. Es ist der Mut, Dinge zu klären, die schon lange unausgesprochen in mir gegärt haben. Es ist dieses Überwinden einer Angst, die auf Dauer doch nur lähmt. Lieber ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende. Dabei lässt der Schrecken bis heute auf sich warten, er ist einfach nicht da, es ist überhaupt nichts schrecklich, es ist, wie es ist. Vor allem ist es Erleichterung. Immer wieder, in jeder Hinsicht.

Und was ist passiert? Nichts und doch vieles.

Indische Städte. Hätte ich mich nicht getraut, diese vielspurigen, völlig irren Straßen zu betreten, wäre ich nie auf die andere Seite gekommen. So ist das auch im Leben. Es mag Überwindung kosten, eine Entscheidung zu treffen, die unter Umständen Verlust bedeutet. Aber ohne Veränderung kann nichts Neues entstehen, man kommt nicht vorwärts. Im Berufsleben zum Beispiel. „Soll ich meinen Job kündigen, ohne zu wissen, was danach kommt?“ Wenn ich mich nach Monaten endlich entschlossen habe, es zu tun, haben sich zum meinem Erstaunen plötzlich Türen geöffnet, von denen ich gar nicht gewusst hatte, das es sie gibt. Wobei ich zugebe, dass ich solche Sprüche selbst nicht wirklich hören kann. Aber es war halt so. Inzwischen weiß ich, dass ich vieles selbst ändern kann, wenn es sich in die falsche Richtung entwickelt. Genauso ist das in Beziehungen. „Aber wenn ich das jetzt beende, ist da wieder niemand, will ich das? Werde ich gar irgendwann alleine sterben?“ Nein, werde ich nicht, es wird eines Tages jemand kommen, mit dem es einfach passt. Alles andere darf gerne ein Abenteuer sein, aber meine Zukunft baue ich nicht (mehr) darauf auf. Ich weiß, dass ich genauso Herzen gebrochen habe, wie mir selbst das Herz gebrochen wurde. Und dass wir dennoch alle gut weiterleben konnten und können. Ich denke auch an Freundschaften. „Wenn ich ihr/ihm das jetzt so sage, mag sie/er mich dann noch?“ Scheiß drauf, die besten Freundschaften, die ich heute habe, sind die, in denen wir uns gegenseitig wirklich alles sagen können. Klar, es ist ein gewisses Risiko, herauszufinden, was geht. Es lohnt sich aber.

Ob mir schräge Dinge gerade überdurchschnittlich oft passieren oder nicht, weiß ich gar nicht. Vielleicht nehme ich sie auch nur intensiver wahr. Oder sorge selbst dafür, dass sie eintreten, bewusst oder unbewusst. Die bevorstehende Reise macht es sicher einfacher, denn sollte ich ein bisschen Chaos hinterlassen, bleibt das einfach hier. Aufräumen kann ich, falls notwendig, wenn ich wieder zurück bin. Dann sogar mit noch mehr Leichtigkeit. Mein Leben ist wirklich alles andere als perfekt, aber es ist gerade wunderbar seltsam, ich bin glücklich und das ist gut so. Von mir aus kann die Achterbahn ewig weiterfahren, wenn sie an dem einen oder anderen Höhepunkt trotzdem kurz angehalten wird.

 

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